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|9|📖 Albrecht Peters, Kommentar zu Luthers Katechismen, Band 1, 1990, 109–137. Uwe Rieske-Braun, Glaube und Aberglaube, in: LuJ 69 (2002) 21–46.
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Ablass
→ Buße
Das Wort Ablass bedeutet bei Luther wie schon vor ihm allgemein das Ablassen, Nachlassen, Erlassen von etwas, dann spezifischer den Nachlass von Schuld und schließlich terminologisch den Nachlass von Sündenstrafe.
1. Wesen: Der Ablass erlässt Werke der Genugtuung und versöhnt den Menschen äußerlich mit der Kirche (1, 243, 12–14; 2, 714, 13f.). Er ist kein gutes Werk, sondern der Erlass guter Werke um eines geringeren Werkes willen. Auch wenn das gute Werk, für das der Ablass gewährt wird, verdienstlich wäre, ist deshalb der Ablass nicht verdienstlich, da das von ihm erlassene Werk nicht weniger, ja sogar mehr verdienstlich wäre. Der Ablass ist vielmehr schädlich, da er gute Werke erlässt (1, 570, 2–7). Er kann höchstens kirchliche Strafen nachlassen, nicht jedoch göttliche (1, 233, 18f.; 234, 15–18; 235, 1–4). Denn alles, was Gott auferlegt, ist zuträglich den Christen und bessert sie (1, 245, 3f.). Der Ablass verspricht missbräuchlich auch Nachlass der Schuld (30II, 282, 15–17). Der Ablass ist eine schändliche, verfluchte Abgötterei (50, 76, 2; vgl. 30II, 284, 32).
2. Ursache: Die römische Kirche schöpft die Erteilung des Ablasses aus dem Schatz der Kirche, der in den überschüssigen Verdiensten Christi und der Heiligen besteht (1, 605, 34–36). Dann wäre der Ablass kein Ablass, da er nicht gnädiger Nachlass wäre, sondern die Anwendung fremder Genugtuung (1, 606, 1f.), die Übertragung fremder Werke auf andere (1, 608, 38f.).
3. Wirkung: Die Seelen sollen durch den Ablass aus dem Fegfeuer gezogen werden. Aber das Fegfeuer ist wie die Verzweiflung oder die Hölle, aus der die Seelen weder durch Fürbitten noch durch Ablässe gebracht werden können, außer durch das Gebet der Kirche (5, 204, 28–31).
4. Folgen: Der Ablass mindert die Buße, er verhindert die Bereitschaft zur Genugtuung, er hält von guten Werken ab. Thomas, Bonaventura und ihre Anhänger sagen beständig und übereinstimmend, dass gute Werke besser sind als Ablass (1, 609, 10f.). Wer sich auf den Ablass verlassen hat, der hat damit den Heiland Jesus Christus fahren lassen, verleugnet und vergessen und keinen Trost an ihm (30III, 309, 7–10). Die wahrhaftige Reue sucht und liebt die Strafen; die Fülle der Nachlässe aber erlässt sie und lehrt sie zu hassen (1, 235, 16f.; 244, 38f.). Ablass nimmt nicht die Sünde ab, sondern die Strafe der Sünde. Nun ist niemand so närrisch (ausgenommen der Papst und seine Schmeichler), der da meine, dass Nachlassung der Strafe jemand bessere, sondern Auflegung der Strafe mag jemand zu bessern, wie Vernunft, Erfahrung, Schrift lehren (7, 401, 11–16).
5. Das Evangelium befreit vom Ablass (30II, 281, 25–29; 50, 209, 14–22). Der Friede der Christen ist die Herrlichkeit des Gewissens, die nicht durch Ablässe, sondern durch Vergebung der Schuld allein durch die Gnade zustandekommt (1, 314, 12f.). Gott allein vergibt die Schuld durch Gnade, die nicht durch Ablass erlangt werden kann (2, 29, 9–11).
|10|6. Auch will Augustin in seinen vielen Schriften gegen die Donatisten auf nichts anderes hinaus, als dass die Sünden von Gott allein vergeben werden (1, 539, 8–10). Der Irrtum über den Ablass bei Bonaventura, Thomas von Aquin, Alexander von Hales u.a. ist durch Aristotelesrezeption bedingt (1, 611, 21–612, 23).
📖 Heinrich Bornkamm, Thesen und Thesenanschlag Luthers. Geschehen und Bedeutung, 1967. Hannegreth Grundmann, Die theologische Grundlage von Luthers Kritik am Ablass, in: Rainer Rausch, Hg., Gnade – Sonst nichts! 2014, 83–113. Berndt Hamm, Die 95 Thesen, in: ders., Der frühe Luther, 2010, 90–114. Bernd Moeller, Die letzten Ablaßkampagnen. Luthers Widerspruch gegen den Ablaß in seinem geschichtlichen Zusammenhang, in: ders., Die Reformation und das Mittelalter, 1991, 53–72. Thomas Schirrmacher, Der Ablaß, 2005. Wolfgang Thönissen, Luthers 95 Thesen, in: Meilensteine der Reformation, 2014, 89–99. 259–261.
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Affekt
→ Angst, Freude, Fühlen, Glaube, Herz, Hoffnung, Liebe, Zorn
Luther verwendet das lateinische „affectus“ sehr häufig für eine emotionale Gestimmtheit oder eine Ausrichtung des Willens, während die deutsche Form Affekt nur selten vorkommt.
1. Wesen und Arten: Der Affekt ist die Bestimmtheit des Herzens. Die Menschen sind von ihren Affekten gefangen, denen sie folgen, sie hören nicht andere Ratgeber (20, 167, 25f.). Aber der Affekt gehört zum guten Handeln dazu: Was ohne den guten Affekt des Herzens geschieht, das geschieht vergeblich und ist sündhaft (7, 766, 14f.). Aus den Affekten entstehen die Werke des Menschen (38, 646, 10–12). Die Menschen sind mehr am Affekt zu messen als an ihrer Rede (18, 644, 15f.). Religiös gilt: Der Affekt bildet mehr als der Verstand (3, 186, 4). Deshalb bedarf auch die Theologie der Affekte (18, 669, 4–6). Der Mensch besitzt gute Affekte, wie Barmherzigkeit, Wohlwollen, Geduld, Milde nicht von Natur aus, sondern nur durch die Gnade Gottes in Christus (1, 263, 20–22). Christus ist die Quelle aller guten Affekte (1, 341, 3–12). Durch Christus weichen die bösen Affekte den guten: Wenn man hört, dass er für uns gelitten hat, und glaubt, entsteht das Vertrauen auf ihn und die süße Liebe, und so vergeht jeder Affekt, der sich an unnütze Dinge hängt (1, 399, 32–34). Das Gesetz kann die Affekte nicht zum Guten verändern, sondern nur die Gnade und der Glaube (9, 355, 14f.; 426, 3f.; 431, 11f.). Die Affekte Hass und Liebe liegen allen anderen zugrunde (5, 139, 29f.). Das Gebot, den Nächsten zu lieben wie sich selbst, setzt die Selbstliebe voraus. Nichts ist im Menschen tiefer verankert als dieser Affekt: sich selbst zu lieben (57II, 41, 17f.). Die Gottesbeziehung wird durch die Affekte bestimmt: Gott verändert sich, je nachdem unser Affekt ihm gegenüber sich verändert (14, 608, 26f.). In bezug auf Gott ist der Affekt, der ihm Ehre gibt, der höchste und erste aller anderen Affekte (5, 198, 5). Der Affekt der Liebe zu Gott lässt die Menschen wollen und lieben, was der Verstand und der Glaube sie verstehen lässt (56, 239, 10–13). Das erste Gebot fordert zwei grundlegende Affekte Gott gegenüber: Furcht und Vertrauen (30I, 59, 27f.). Für die christliche Ethik ist die Eintracht der Menschen untereinander der grundlegende Affekt (7, 484, 13f.). Dieser Affekt ist die innere Bewegung des Herzens zum Nächsten hin (7, 484, 18f.). Aber dieser Affekt kann auch die Einheit |11|der Kirche gefährden, wenn er zu konkurrierender Gruppensolidarität führt (7, 484, 21–23). Deshalb gilt: Wieviel Affekte, soviel Herzen, die sich aber alle im Namen Christi rühmen (7, 484, 26f.).
2. Der Affekt bestimmt das Verhältnis zu Christus: Wenn sich das Herz Christus durch den Glauben ergibt, dann wird davon das Herz süß, fröhlich, getrost, unerschrocken und hat Friede vor allem Jammer (7, 190, 23–36). Die heilige Schrift ermahnt mehr zur Betrachtung der Passion Christi mit dem Affekt als mit dem Verstand (1, 343, 28f.). Denn der Verstand kann nicht begreifen noch die Sprache sagen, was es bedeute, dass Christus gelitten hat, sondern nur der Affekt kann es erfassen. (1, 344, 9–11). Aber niemand ergreift Christus, es sei denn, sein Herz sei leer von allen irdischen Affekten (9, 519, 22–23). Denn das Herz soll sich nicht an endliche Güter hängen.
3. Der Affekt soll durch den Glauben bestimmt werden: Aus dem Glauben geht sofort frei der süßeste Affekt des Herzens hervor, durch den der Geist des Menschen erweitert und geöffnet wird, das ist die Liebe, die durch den heiligen Geist in Christus geschenkt wird, damit er zu Christus gezogen und ein gänzlich anderer und neuer Mensch wird (6, 515, 29–33). Die Schau Gottes bedeutet, sich mit Verstand und Affekt abzuwenden von allem Sichtbaren und sich hinzuwenden zum Unsichtbaren und Göttlichen. Die Seele wird nicht anders umgewandelt als durch Affekt und Verstand, was durch den Glauben geschieht (4, 107, 30–34). Wer an Christus glaubt, der ist wiedergeboren oder neu geboren. Bleibt er nun in diesem Glauben, so ist der heilige Geist da, gibt Glauben und neuen Verstand ins Herz, er erweckt auch heilige und neue Gedanken und Affekte, damit man anfängt, Gott zu lieben (47, 14, 8–16). Luther kann auch den Glauben als einen Affekt bezeichnen, aber als einen, der nicht aus den eigenen Kräften des Menschen kommt, sondern vom heiligen Geist (2, 458, 26f.; vgl. 5, 460, 2). Glaube, Hoffnung und Liebe sind eigentlich die besten und göttlichen Affekte (5, 460, 18f.). Der Affekt des Glaubens muss in den Glaubensartikeln geübt werden, nicht der Verstand der Philosophie (39II, 5, 39f.). Wenn die Liebe durch den Glauben bestimmt ist, dann ist sie nicht mehr ein der menschlichen Natur entspringender Affekt (2, 578). Also muss der Affekt frei sein von aller unserer Weisheit und Gerechtigkeit und sich nur auf Gott verlassen und sich nichts rühmen (9, 103, 35–37). Gott kann geglaubt werden, dass er gütig und gnädig sei, auch wenn er selbst sich anders stellt und alle Sinne und alles Fühlen anders dächten. Denn damit wird das Fühlen getötet und geht der alte Mensch unter, damit lauter Glauben an Gottes Güte und kein Fühlen in uns bleibe (17II, 66, 26–30). Will einer ein Christ sein und nach dem Fühlen sich richten, so verliert er Christus (32, 34, 20f.).
4. Der böse Affekt: Niemand kann sich rühmen, ein reines Herz zu haben, weil das Fleisch, das ist der Affekt des Fleisches und die Begierde, die der Grund des alten Übels ist, den ganzen Menschen verdirbt (2, 415, 11–13). Nicht nur die niederen Affekte sind im sündigen Menschen von der Sünde beherrscht, sondern auch und gerade die höheren, wie Vernunft und Wille, also der ganze Mensch (18, 742–783). Eine Sünde zu vollbringen bedeutet, dem Ansporn und Affekt der Sünde zu folgen (20, 700, 38). Die Affekte des Fleisches sind Furcht, Hoffnung, Freude, Traurigkeit. Sie entstehen aus Hass und Liebe. Durch diese Affekte wird der Mensch daran gehindert, zu Christus zu gelangen, weil er durch sie den zeitlichen Gütern anhängt (4, 102, 7–11). Gottes Wort strebt immer gegen menschliche fleischliche Affekte und Gedanken (17II, 282, 1f.). |12|Aber vom menschlichen Wort gilt, dass die Affekte immer stärker sind, als es Worte sein können (20, 22, 35).
5. Der Psalter ist nichts anderes ist als eine Schule und Übung der Affekte (5, 46, 15–19).
📖 Günther Metzger, Gelebter Glaube. Die Formierung des reformatorischen Denkens in Luthers erster Psalmenvorlesung, dargestellt am Begriff des Affekts, 1964. Birgit Stolt, Gefühlswelt und Gefühlsnavigierung in Luthers Reformationsarbeit, 2012. Karl-Heinz zur Mühlen, Art. Affekt II. 6 Luther, in: TRE 1, 605–612. Ders., Die Affektenlehre im Spätmittelalter und in der Reformationszeit, in: ders., Reformatorisches Profil, 1995, 101–122. Johann Anselm Steiger, Hg., Passion, Affekt und Leidenschaft in der Frühen Neuzeit, 2005.
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Allegorie
→ Analogie, Buchstabe, Geheimnis, Geschichte, Sinn
1. Wesen: Allegorie ist eine fortgesetzte Metapher (38, 539, 34). Die Allegorie gibt etwas anderes vor in den Worten und bedeutet etwas anderes im Sinn (2, 551, 7–10). Die Neigung zur Allegorie ist dem menschlichen Geist natürlicherweise zu eigen (5, 505, 16). Die Allegorien erzeugen keine sicheren Beweise in der Theologie, sondern sie schmücken und beleuchten die Sache wie Bilder (40I, 657, 13–22; vgl. 25, 141, 36; 44, 109, 13–18). Was Paulus Allegorie nennt, nennen Origenes und Hieronymus den geistlichen Sinn (2, 551, 16f.). Die Unterscheidung zwischen Literalsinn und allegorischem Sinn deckt sich nicht mit der zwischen Buchstabe und Geist (2, 551, 23–34). Denn der Literalsinn kann Geist, die Allegorie toter Buchstabe sein (7, 655, 27–29; 22, 219, 14–17). Durch Allegorien und Gleichnisse wird der gewöhnliche Mensch stark angesprochen. Deshalb verwendet sie auch Christus häufig. Sie sind nämlich wie Bilder, die den einfachen Menschen die Dinge wie vor Augen gemalt zeigen und die deshalb die Gemüter sehr bewegen, besonders der Ungebildeten (40I, 652, 33).
2. Umgang: Es ist nicht erlaubt, in der Schrift mit Allegorien zu spielen, es sei denn, dass die Allegorie durch andere Stellen der Schrift unwiderleglich erwiesen ist (5, 541, 16f.). Diejenigen, die die heilige Schrift studieren und Prediger werden wollen, sollen sich hüten vor den geistlichen Deutungen oder Allegorien (16, 67, 24–26; vgl. 43, 667, 4–10). Nach Paulus gelte, dass wer heimliche Deutungen einführen will, der sehe zu, dass er sie deute auf den Glauben, dass sie sich zum Glauben reimen (16, 68, 11–28). Paulus war der beste Meister im Umgang mit den Allegorien, da er sie auf die Lehre vom Glauben, auf die Gnade und auf Christus bezog, nicht auf das Gesetz und die Werke, wie es Origenes und Hieronymus taten. Wer nicht die vollkommene Erkenntnis der christlichen Lehre hat, kann die Allegorien nicht sinnvoll behandeln (40I, 653, 14–20; vgl. 14, 500, 14f.; 16, 275, 15–18; 25, 240, 10f.). Aber die Befestigung des Glaubens besteht nicht in Allegorien (31II, 97, 23). Aus der Geschichte ist der Glaube aufzubauen, in dem allein wir verharren sollen und nicht so leicht auf Allegorien verfallen (31II, 242, 24–26). Der Allegorie geht immer das Fundament der Geschichte voraus (16, 579, 30). Die Allegorie ist schädlich, wenn sie nicht mit der Geschichte übereinstimmt (43, 667, 4f.). Der Umgang mit Allegorien ist recht, wenn in ihnen der Dienst des Wortes und der Lauf des Evangeliums und des Glaubens |13|gefunden werden (14, 500, 18f.; vgl. 11, 665, 13; 16, 255, 7). Wer eine Allegorie in der Schrift finden will, bemühe sich, dass er alles auf Christus beziehe (14, 306, 20f.). Die Glaubenden können mit Allegorien erbaut werden, den Ungläubigen hingegen kann durch sie nichts bewiesen werden. Andererseits verstehen die Ungebildeten durch Ähnlichkeiten, Gleichnisse, Allegorien mit Vergnügen (2, 550, 13f.). Man soll aber beim grammatischen und historischen Sinn bleiben (31II, 243, 16; vgl. 25, 113, 11–14), dem wahren Kern und Saft der Schrift. Dann kann man das Geheimnis hinzufügen (16, 72, 1f.). Die sich unter Vernachlässigung der Geschichte an Allegorien erfreuen, die gewinnen nur Nichtiges. Zweck der Allegorien ist nur, dass sie als Ornamente und Veranschaulichungen benutzt werden, im Kampf aber nützen sie überhaupt nichts. Die Geschichten aber leisten einen großen Beitrag zur Vermehrung und Befestigung des Glaubens (25, 225, 21–25; vgl. 31II, 89, 11f.; 97, 13–23). Luther hat seit der Zeit, als er begann, den historischen Sinn hochzuschätzen, die Allegorien verschmäht und sie nicht gebraucht, es sei denn, der Text selbst wiese sie auf oder die Deutungen könnten aus dem Neuen Testament entnommen werden (42, 173, 26–29; vgl. 666, 36–667, 3). Die Allegorien sollen nicht grundsätzlich verdammt werden, da Christus und die Apostel sie auch gebraucht haben nach der Analogie des Glaubens, so dass sie die Lehre schmückten und die Gewissen trösteten (42, 367, 32–40). Denn die Allegorie muss den Glauben nähren (43, 582, 20f.).
3. Gegenstände: Alle geschaffenen Ordnungen sind Masken Gottes, Allegorien, durch die er seine Theologie rhetorisch malt: alles soll Christus in sich fassen (40I, 463, 9–464, 1). Alles Sichtbare kann verstanden werden als Figuren und Allegorien unsichtbarer Dinge. Aber Figur oder Allegorie sind keine Sakramente (6, 550, 21f.). Das Abendmahl ist keine Allegorie, die meint, das Brot bedeute des Herrn Leib, so Luther gegen Zwingli (26, 390, 27–29).
📖 Gerhard Ebeling, Evangelische Evangelienauslegung, 1942. Timothy H. Maschke, The understandig and use of allegory in the lectures on the Epistle of Saint Paul to the Galatians by Doctor Martin Luther, 1993. Hans Wernle, Allegorie und Erlebnis bei Luther, 1960.
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Alt/neu
→ Buchstabe/Geist, Christ, Fleisch/Geist, Mensch, Metapher, Reformation
1. Altes/Neues Testament: Unter Altem und Neuem Testament versteht Luther nicht zuerst die biblischen Bücher, sondern den alten und den neuen Bund Gottes mit den Menschen. Das Alte Testament ist eine Figur des Neuen Testaments gewesen (6, 302, 21). Das Alte Testament musste alt werden und aufhören, weil es nicht auf Gottes Gnade, sondern auf Menschenwerken stand, und es musste ein anderes Testament kommen, das nicht alt würde, auch nicht auf unserem Tun, sondern auf Gottes Wort und Werke stünde, auf dass es ewiglich währt (DB 8, 29, 1–10). Jesus spricht, es sei ein neues, ewiges Testament in seinem eigenen Blut zur Vergebung der Sünden, womit er das Alte Testament aufhebt (6, 357, 29–32). Christus verwirft und hebt das alte Gesetz mit seinen Opfern und seiner Heiligkeit auf, da damit Gottes Wille nicht erfüllt sei, und nicht unser Werk und Opfer, sondern er selbst und alleine muss es für uns alle tun. Er verheißt also und stiftet das Neue Testament, da die Gerechtigkeit des |14|Glaubens in großer Gemeinde, das ist in aller Welt, gepredigt werden soll und nicht die Gerechtigkeit der Opfer oder unserer Werke (38, 33, 5–10). Die Gebote Gottes sind altes Testament, seine Verheißung neues Testament (7, 23, 30–24, 21), das Gesetz ist das Alte, das Evangelium das Neue (9, 569, 8f.). Denn das Alte Testament war wohl eine Verheißung, aber nicht der Vergebung der Sünden und ewiger Güter, sondern zeitlicher Güter, durch die niemand im Geist erneuert wurde (6, 515, 5–11). Das Alte Testament predigt den Buchstaben, das Neue predigt den Geist (7, 653, 17f.). Aber alles, was die Apostel gelehrt und geschrieben haben, das haben sie aus dem Alten Testament gezogen; denn in diesem ist alles verkündigt, was in Christus zukünftig geschehen und gepredigt werden sollte. Es ist kein Wort im Neuen Testament, das nicht hinter sich sehe in das Alte, worin es zuvor verkündigt ist, denn das Neue Testament ist nicht mehr als eine Offenbarung des Alten (10I.1, 181, 15–25). Das Evangelium oder Christus predigt nicht eine neue Lehre, die das Gesetz aufhebe oder ändere (32, 356, 18f.). Durch das Alte Testament macht man uns geschickt zu Christus zu kommen, denn wir sehen dadurch unser Gebrechen, werden demütig und wollen gern Hilfe haben. Das Neue hilft und macht fromm (9, 578, 13–15).
2. Alter/neuer Mensch: Es gibt zwei Menschen in uns, Adam und Christus, jener der alte, dieser der neue Mensch (1, 81, 8f.). Der neue Mensch ist der Mensch der Gnade, der geistliche und innere Mensch vor Gott. Der alte Mensch aber ist der Mensch der Sünde, der fleischliche und äußere Mensch vor der Welt. Die Neuheit ist die Gnade, das Altsein die Sünde (3, 182, 24–27). Wir werden alte und neue Menschen genannt, doch nicht so, dass der Mensch zwei Dinge sei. Soweit wir den Glauben haben, sind wir neu, soweit wir nicht glauben, sind wir alt. Darum kann man den alten Menschen nicht deuten, als sei er allein Fleisch und Blut, denn er, wie auch der neue Mensch, ist der ganze Mensch (24, 557, 10–14). So muss man gegeneinander halten den alten und neuen Adam, wie Paulus sagt, so dass der alte Adam eine Figur des neuen Adams sei, dass der alte mit seiner Sünde alles vergiftet hat, was von ihm kommt, der neue alles, was von ihm kommt, selig gemacht und geheiligt hat durch den Geist (10III, 75, 22–25). Der alte Mensch hört nimmer auf zu sündigen, hat noch immer eine böse Neigung (9, 572, 23f.; vgl. 30I, 220, 25–28). Der alte Mensch wird Fleisch genannt. Wer nicht aus Geist wiedergeboren ist (er sei vor sich selbst und den Menschen gerecht, fromm, weise), ist Fleisch, fleischlich, alter Mensch (1, 146, 17–22). Ohne den Geist ist der ganze Mensch alt und äußerlich (56, 345, 31). Der alte Mensch, der ohne Glauben und nicht reinen Herzens ist und Christus nicht hat, muss das Gesetz haben und immer mit Werken getrieben werden (17I, 123, 18–20). Das irdische, alte Leben nach dem alten Adam, wie man in der Welt ohne den Geist Gottes lebt, wird vom neuen Adam, Christus, überwunden (26, 307, 23f.). Paulus redet von der Tötung des alten Adams und will sagen, dass wir nicht mehr nach dem Fleisch, sondern als eine neue Kreatur in Christus leben sollen (26, 308, 32f.). Den alten Menschen nennt Paulus nicht allein den Leib oder die groben sündlichen Werke, die der Leib begeht mit den äußerlichen fünf Sinnen, sondern den ganzen Menschen, wie er von Adam geboren ist, mit Leib und Seele, Willen, Vernunft und Verstand, der noch in Unglauben, Gottesverachtung und Ungehorsam ist. Neuer Mensch heißt der, der durch die Buße sich zu Gott bekehrt und nun ein anderes Herz und anderen Verstand hat als zuvor, anders glaubt und lebt nach Gottes Wort und Willen durch den heiligen Geist. Dieser fängt an in der Taufe oder in der Buße und Bekehrung, dass er dem alten Menschen und |15|seinen sündlichen Lüsten durch den heiligen Geist widerstehe (22, 98, 13–38). Im alten Menschen ist nichts als Irrtum, wodurch ihn der Teufel ins Verderben führt. Aber der neue Mensch hat dagegen den Geist und Wahrheit, wodurch das Herz erleuchtet wird und Gerechtigkeit und Heiligkeit mit sich bringt, so dass der Mensch Gottes Wort folgt und Lust hat zu gutem göttlichem Wandel und Leben. Ein solcher neuer Mensch ist geschaffen nach Gott als ein Bild Gottes (22, 315, 23–29). Erneuert zu werden bedeutet, aus dem Alten ins Neue überzugehen. Das Alte ist die Sünde des alten Menschen, das Neue ist die Gnade des neuen Menschen (7, 106, 32–34). Die Taufe bedeutet, dass der alte Adam in uns durch tägliche Reue und Buße soll ersäuft werden und sterben mit allen Sünden und bösen Lüsten, und wiederum täglich ein neuer Mensch herauskommen und auferstehen soll, der in Gerechtigkeit und Reinigkeit vor Gott ewiglich lebe (30I, 382, 8–383, 2). Christus hat die Erlösung von Sünden und Tod erworben, dass uns der heilige Geist an Christus zu neuen Menschen machen soll aus dem alten Adam (50, 599, 29–31). Das ist nun die Natur des inwendigen und neuen Menschen, dass er ein stetes Harren, Hoffen, Trauen, Glauben trägt zu Gott. Das Wort und die Verheißung Gottes ist der ganze Inhalt des neuen Menschen (1, 209, 18–23). Der neue Mensch gewinnt Lust zu Gottes Geboten und tut alles mit Freuden, was er soll (7, 654, 6–8; vgl. 10I.1, 49, 5–7). Der heilige Geist macht die Person anders und verwandelt sie in einen neuen Menschen, der dann eine andere Vernunft, einen anderen Willen hat, geneigt zum Guten (10I.1, 328, 17f.; vgl. 12, 298, 30–33). So ist jeder Christ in bezug auf seinen äußeren Menschen unter Mose oder dem Gesetz, unter dem Tod, der Hölle, dem Teufel, weil der äußere oder alte Mensch noch gekreuzigt und getötet werden muss. Nach dem Glauben erfasst der neue Mensch den Sohn und ist Herr über Tod, Gesetz, Hölle und Teufel. Dies ist die Freiheit, die uns durch diesen König, der uns als Sohn gegeben wurde, gegen die Knechtschaft des Gesetzes zukommt (40III, 655, 5–13). Im neuen Menschen ist Sohnschaft, Gerechtigkeit, Heiligkeit, Heil, Erlösung und ewiges Leben (40III, 655, 20–22). Christus will, weil wir neue Menschen sein sollen, dass wir auch andere und neue Gedanken, Verstand und Sinne haben und kein Ding ansehen nach der Vernunft, wie es vor der Welt steht, sondern wie es vor seinen Augen ist, und uns richten nach dem zukünftigen, unsichtbaren neuen Wesen, das wir zu hoffen haben und das nach diesem Leiden und elenden Wesen folgen soll (34II, 481, 12–16).
3. Alte/neue Welt: Man muss unterscheiden zwischen der Schöpfung, die erst geschehen, und der neuen Geburt, die uns wiederbringt, was wir nach der Schöpfung verloren haben (46, 622, 38–40). Christi Tod und Auferstehung wird alles neu machen in Himmel und Erden (46, 33, 6f.).
4. Alter/neuer Gott: Gott ist älter und größer als alle Dinge (15, 493, 31). So ist Gott und sein Wort älter, als wir sind, er wird auch wohl jünger und neuer sein, als wir sind, denn er ist ewig, darum soll er beides, Altes und Neues, ändern und regieren und sich weder vom Neuen noch Alten ändern oder regieren lassen (30II, 321, 19–22).
5. Alte/neue Lehre: Menschen sollen keine neuen Artikel des Glaubens setzen (6, 322, 2f.). Luther predigt seinem Anspruch nach nicht neue Dinge, er sagt, dass alle christlichen Dinge bei denen untergegangen seien, die sie bewahren sollten, nämlich bei den Bischöfen und Gelehrten (7, 313, 37–39; vgl. 33, 462, 34–37). Er habe diese Predigt nicht neu gemacht, sondern eben dieselbe alte, befestigte Lehre der Apostel wieder hervorgebracht, wie er auch keine neue Taufe, Sakrament, Vater unser, Glauben |16|gemacht habe, sondern allein wegen des Alten, das Christus und die Apostel hinterlassen haben, streite (46, 62, 26–32). Das Konzil von Nizäa hat nichts Neues erdacht noch gesetzt, sondern den alten Glauben wider den neuen Irrtum des Arius durch die heilige Schrift verteidigt. Deshalb kann man den Konzilien nicht die Macht geben und noch viel weniger dem Papst, neue Artikel des Glaubens zu erdenken oder zu setzen (50, 575, 4–8; vgl. 580, 17–24; 607, 12–17; 618, 10–14).