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Der reine Projekt(-status-)bericht eignet sich – anders als der Ergebnisbericht – regelmäßig nicht für eine solche Berichterstattung. Soll der Bericht Grundlage für eine Wahrnehmung der gesellschafts-, bilanz- oder kapitalmarktrechtlichen (Ad-Hoc-) Pflichten sein, sind entsprechende Anforderungen an Inhalt und Aussagekraft bei Auftraggeber nachzufragen. Es ist darauf zu achten, dass die formellen und materiellen gesetzlichen oder unternehmensinternen Anforderungen an diese Informationspflichten eingehalten werden, so dass der Auftraggeber den Bericht des Untersuchungsführers zur Grundlage seiner eigenen Berichterstattung machen kann. Besondere Mitteilungen, die Auswirkungen auf das öffentliche Ansehen oder den Marktpreis von emittierten Wertpapieren der Gesellschaft haben könnten, bedürfen einer entsprechenden vorherigen Würdigung des Projektverlaufs und der daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen. Wenn keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen, sollte besser auf inhaltliche Angaben verzichtet werden, statt durch Spekulationen oder Gerüchte Diskussionen auszulösen.
148
Das Gleiche gilt auch, wenn der Ergebnisbericht/Abschlussbericht veröffentlicht werden soll oder eine Veröffentlichung wahrscheinlich ist (bspw. aufgrund von Anzeige- oder Auskunftspflichten). Besonders Chancen-/Risiko-Darstellungen oder auch Erfolgsmeldungen sind auf Relevanz, Transparenz und Tragfähigkeit der Angaben auch aus Sicht eines Empfängers zu prüfen. Bei Statusberichten muss die Vorläufigkeit der Darstellung deutlich herausgestellt werden. Die Abgabe einer abschließenden Bewertung (auch nur von Teilen einer einheitlichen Untersuchung) ist grundsätzlich haftungsträchtig, solange die Investigation nicht insgesamt abgeschlossen wurde. Die Darstellung der Ergebnisse darf weder im negativen noch im positiven Sinne übertrieben, selbstdarstellerisch oder „blendend“ sein.[21] Eine unkritische Darstellung belastet zudem häufig auch eine kooperative Grundhaltung der Ermittlungsbehörden und sonstiger Empfänger gegenüber dem Unternehmen.
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Der Unterschied zwischen einem projektinternen Fortschrittsbericht und einem Ergebnisbericht sollte dem Auftraggeber und jedem anderen Empfänger durch deutlich auf dem Bericht angebrachte Hinweise nahegebracht werden. Für die Dokumentation der Erfüllung eigener Sorgfaltspflichten im Vertragsverhältnis zum Auftraggeber empfiehlt sich, den jeweiligen Berichtsinhalt, die Berichtsgrundlagen und etwaige begleitende Erklärungen („Disclaimer“, den IuK-Systemstand usw.) im Berichtszeitpunkt „einzufrieren“. Erst bei Projektabschluss (mit Vorlage des Abschlussberichts) kann darüber entschieden werden, wie mit solchen Zwischenberichten weiter zu verfahren ist.
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Zuletzt soll die Frage gestreift werden, ob solche Berichte und Dokumentationen herausgabepflichtig und/oder beschlagnahmefähig sind. Wird eine Internal Investigation vom Unternehmen durchgeführt, um in einem parallel laufenden Strafverfahren eine eigene Erkenntnis- und Entscheidungsgrundlage zu erhalten, handelt es sich – jedenfalls bei dem Ergebnisbericht – unabhängig von der jeweils den Bericht erstellenden Person um eine Entscheidungsgrundlage des Geschäftsleitungsorgans und damit um eine grds. innerbetriebliche Dokumentation. Das gilt auch für Arbeits- und Projektdokumentationen, wenn diese von dem Unternehmen oder seinen Mitarbeitern erstellt wurden oder im Zuge des Projekts dem Unternehmen und seinen Mitarbeitern ausgehändigt wurden.[22] Das hat zur Folge, dass die nur für privilegierte Personen geltenden verfahrensrechtlichen Schutzbereiche (vgl. dazu § 53 Abs. 1 Nr. 1-5 StPO) nicht anwendbar sind. Andererseits sind die Berichte solcher privilegierter Personen grundsätzlich geschützt, auch wenn das Geschäftsleitungsorgan sich auf den Bericht für seine Entscheidungen stützt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das 17. Kap. verwiesen.
b) Detailberichte, Spontanberichte
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Will der Auftraggeber besondere Einzelthemen behandelt wissen, bspw. die Gefährlichkeit eines Stoffes/Produktes für den Verbraucher oder die Relevanz bestimmter Leistungen an ausländische Domizilgesellschaften, dann empfehlen sich jenseits der Gesamtprojektberichterstattung sog. Detailberichte. Diese stellen in der Regel einen abgrenzbaren Sachverhalt auftragsbezogen anhand nachvollziehbarer (darzulegender) Kriterien dar, ohne damit das Gesamtprojekt abschließen zu wollen. Dies sollte deutlich gemacht werden, auch dadurch, dass in der Berichterstattung darauf verwiesen wird, dass weitere Untersuchungen durchgeführt werden und der vorliegende Bericht nur aus besonderem Anlass oder zu einem besonderen Zweck isoliert dargestellt wird. Der Berichterstatter sollte sich durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen oder Bestätigungen des Auftraggebers vergewissern, dass seine Berichterstattung nicht in einem falschen Zusammenhang dargestellt wird und der Einzelbericht nicht zweckentfremdet gewertet werden kann.
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Spontanberichte kommen im Rahmen des Projektes häufig vor, sie umgehen in der Regel das normale, stetige Berichtswesen über die Projektfortschritte und -ergebnisse. Spontanberichte sind vor allen Dingen dann erforderlich, wenn der Auftraggeber zu Sofortmaßnahmen veranlasst werden soll und eine fundierte Entscheidungsgrundlage benötigt. Das kann der Fall sein bei Gefahren für Leib, Leben und Eigentum, die nur durch sofortiges Eingreifen abgewendet werden können. Es kann aber auch ein Warnbericht notwendig sein, wenn ohne ein Eingreifen ein strafrechtlicher Tatbestand durch automatische Abläufe vollendet werden würde, bspw. die Auslösung einer korruptiven Zahlung durch die Buchhaltung ohne Wissen und Billigung des Leitungsorgans. Daher werden in der Praxis sog. Zahlungsstopps vor allem auf der Grundlage von Spontaneinschätzungen ausgelöst, um geeignete Sachprüfungen durchführen zu können.
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Spontanberichte können sich aber auch als schädlich erweisen, wenn ihnen eine sachlich geprüfte und validierte Informationsbasis fehlt, wenn Wertungen getroffen werden, die viel zu weitgehend sind oder Maßnahmen einseitig ausgelöst werden, für die im Organisationsablauf die Hinzuziehung weiterer (Mit-)Entscheider erforderlich wäre. Vergleichbar ist das mit der Situationsbeurteilung einer „Gefahr im Verzug“, bei der in einzelnen Ermittlungssituationen die an sich gesetzlich vorgesehene Entscheidungs- und Korrekturfunktion eines gesetzlichen Richters (vorübergehend) ausgeschaltet wird, um einen schnelleren Ermittlungszugriff zu ermöglichen. Dass solche Situationen auf das Äußerste begrenzt werden müssen und grundsätzlich die auch unternehmensintern eingerichteten Zuständigkeiten und Kompetenzen beachtet werden müssen, sollte dem jeweiligen Berichtsverfasser bewusst sein. Ein Hinwegsetzen über diese ordnungsgemäß eingerichteten und aus der Gesellschaftsordnung abgeleiteten Leitungs- und Delegationsstruktur sollte daher sorgfältig begründet und durch den Auftraggeber legitimiert sein. Daher empfiehlt sich gerade hier eine eingehende Dokumentation sowohl des konkreten Auftrages zur Abgabe eines Spontanberichts als auch der Tatsachengrundlagen und der jeweils abgegebenen Empfehlungen.
c) Abgleich mit Unternehmensberichten (Pressemitteilungen, Geschäftsberichte etc.)
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Eine länger andauernde Internal Investigation bleibt weder im Unternehmen noch außerhalb des Unternehmens unbemerkt. In der Regel sind neben den Leitungsorganen auch externe Stakeholder, d.h. Hauptgesellschafter, Banken, Garantiegeber, eine Aufsichtsbehörde und die Ermittlungsbehörden über Art und Umfang mehr oder weniger genau informiert. Da alle externen Beobachter die Unternehmenskommunikation, d.h. die Geschäftsberichte, die Pressemitteilungen, die Homepage etc., daraufhin analysieren, welche Informationen dort zum Thema der Internal Investigation veröffentlicht werden, wird diese externe Berichterstattung ebenfalls von dem Untersuchungsführer in seine Überlegungen einbezogen. Die Veröffentlichungen der Vergangenheit werden daraufhin analysiert, ob hier ggf. mit Blick auf das Untersuchungsthema und den Fortschritt der Untersuchungen Änderungen zu empfehlen sind. Das kann vom einfachen Widerspruch bis hin zu einer Gegendarstellung oder auch der Veranlassung einer förmlichen Nachtragsberichterstattung (zu Bilanzierungs- oder Aufsichtsthemen) gehen.
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Der Untersuchungsführer wird bei einem stark in der Öffentlichkeit stehenden Unternehmen (bspw. einem Unternehmen der Medienbranche) besonderen Wert darauf legen, eine externe Berichterstattung über die Internal Investigation und deren Ergebnisse wie auch den Zeitpunkt und das Format der Veröffentlichung mit zu gestalten.[23]
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Da die externe Berichterstattung im Wesentlichen auf Rechtspflichten des Unternehmens und seiner Organe beruht, ist es frühzeitig erforderlich, sich ein Bild vom Zustandekommen der Informationsgrundlagen für die Veröffentlichung zu machen und den jeweilig Verantwortlichen für die Unternehmenskommunikation in die Internal Investigation ein zu beziehen. Dazu besteht zwar keine Rechts- oder Sorgfaltspflicht, es kann sich aber in entscheidenden Situationen, in denen Ermittlungsbehörden ihrerseits von ihren Pressemitteilungsbefugnissen Gebrauch machen, als professionelle Voraussicht erweisen, wenn der Unternehmenssprecher in ähnlicher Weise informiert ist und auf eine negative Unternehmensöffentlichkeit reagieren kann.
d) Rechtswirkungen der Berichterstattung
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Das Format der Berichterstattung und die Verbindlichkeit der Berichterstattung an den Auftraggeber werden in der Praxis im Einzelfall mit dem Auftraggeber vereinbart, wenn keine gesetzlichen oder satzungsgemäßen zwingenden Vorgaben bestehen. In größeren Internal Investigations ist eine Berichterstattung in einem Powerpoint-Format üblich, sie sollte regelmäßig zusammenfassend die wesentlichen Erkenntnisse berichten. Eine nur mündliche Berichterstattung empfiehlt sich nur bei kleineren Projekten oder bei einfachen Statusupdates ohne besonderen Neuigkeitswert. Für den oder die externen Beauftragten verpflichtend sollte es jeweils sein, eine Agenda mit Besprechungspunkten für eine solche Berichterstattung bereit zu halten, die dem Auftraggeber auch überreicht werden kann. Je nachdem, ob das Projektcontrolling beim Auftraggeber oder bei den externen Beauftragten liegt, kann eine Fortschrittsberichterstattung den für interne Projekte wichtigen Normalisierungsfaktor bestimmen.[24]
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Die Rechtswirkungen eines solchen Projektstatusberichts sind begrenzt. Grundsätzlich sind alle Projektstatusberichte für den Auftraggeber Grundlage der laufenden Aufgabenwahrnehmung innerhalb des Unternehmens. Der Statusbericht für sich gesehen stellt aber weder eine Erkenntnis des Leitungsorgans über die Gesamtrisikolage des Unternehmens (§ 91 Abs. 2 AktG) noch über die Gesamtsituation eines Internen Kontrollsystems oder eines Compliance Management-Systems dar. Auch ist ein Statusbericht grds. keine geeignete Basis für arbeitsrechtliche Maßnahmen (bspw. gem. § 626 Abs. 2 BGB).[25] Anders wäre das nur zu beurteilen, wenn ausschließlich ein spezifisches Mitarbeiterverhalten Gegenstand der Untersuchung war und ein vollständiger Ergebnisbericht (s. dazu unter „Detailbericht“) vorgelegt wird, der sich zur Durchsicht und unternehmensinternen Würdigung eignet.[26]
e) Geheimnisse und andere Verwertungsprobleme in der Berichterstattung
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Als Problem erweisen sich in einer Berichterstattung an den Auftraggeber regelmäßig die dem Projektteam anvertrauten Geheimnisse, seien es persönliche Mitteilungen von Mitarbeitern, Hinweisgebern oder auch im Unternehmen vorhandene, nicht allgemein zugängliche Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, zuweilen sogar Staatsgeheimnisse. Der Untersuchungsführer bzw. ein eingerichteter Lenkungsausschuss müssen im Umgang mit der Information als solcher, der Bearbeitung, Anonymisierung oder Pseudonymisierung der Information sowie Angaben zur Informationsquelle behutsam umgehen, um den jeweiligen Informanten nicht ungewollt innerbetrieblicher Kritik oder Repressalien auszusetzen. Das gilt natürlich nur, wenn die entsprechend in der Investigation verwendete Information vorher im Unternehmen nicht öffentlich gewesen ist. Selbst wenn das Unternehmen in den eigenen Vorgaben für Compliance-relevantes Verhalten jedem Mitarbeiter zusagen sollte, dass jeder Hinweise aufgegriffen wird, der Hinweisgeber aber nicht deswegen verfolgt wird, bleibt bei Arbeitskollegen ein (zuweilen auch ausgesprochener) Vorwurf des „Anschwärzens“ oder des „Verpetzens“ haften. Die Berichterstattung über den Projektstatus soll daher möglichst nicht innerbetriebliche Auseinandersetzungen befördern Freiwillige Mitarbeiterangaben gegenüber dem Untersuchungsteam sollten daher vertraulich behandelt werden und auch in der Zwischenberichterstattung grundsätzlich ohne Quellenangaben zusammengefasst wiedergegeben werden. Ggf. kann sich der Untersuchungsführer dieses Vorgehen vom Auftraggeber schriftlich bestätigen lassen, um später nicht einer Haftung zu unterliegen.
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In gleichem Maße ist es eine praxisnahe Anforderung an die Berichterstattung, etwaige vertrauliche Hinweise der Ermittlungsbehörden auf ein kritisches, untersuchungsrelevantes Verhalten entsprechend der Vorgaben zu verwenden, diese Hinweise aber nicht in einer Weise in die Berichterstattung einzuführen, dass dadurch der Zweck vereitelt würde. Es wäre daher fehlerhaft, das anvertraute Wissen durch unnötige breite Erörterung oder überbetonte Würdigung in die Berichterstattung zu integrieren. Zwar besteht in der Wissenschaft Streit darüber, ob die Ermittlungsbehörden die Bekanntgabe eines solchen Wissens mit einer Auflage verbinden dürfen, dieses Wissen nicht weiterzugeben,[27] aber in der Praxis wird das – mit Rückendeckung des jeweiligen Auftraggebers und der höchstrichterlichen Rechtsprechung[28] – regelmäßig akzeptiert, weil es keine praktischen Alternativen zur Durchsetzung einer (vorläufig verweigerten) Akteneinsicht gibt.
161
Verwertungsprobleme einer etwaigen illegalen Erhebung von Informationen[29] stellen ein eigenständiges Risiko für die gesamte Berichterstattung dar. Die Informationen, die unter Verstoß gegen die prozessualen Regeln zum Schutz individueller Grundrechte, unter Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht von Arbeitnehmern oder unter Missachtung elementarer Menschenrechte erlangt worden sind, sind unverwertbar (§§ 136a, 160a, 161 II, 477 II StPO). Zwar richten sich die Verwertungsnormen des Strafverfahrensrechtes an die Strafverfolgungsbehörden, lassen also grds. ein privat erlangtes Wissen im Zuge der Internal Investigation unberührt. Da es aber das Ziel der Internal Investigation ist, in gerichtsverwertbarer Weise Informationen zusammen zu tragen und zu würdigen, ist jede illegale Art der Beweisgewinnung angreifbar. Als besonderer Eingriff in Menschenrechte sind die Ausforschung persönlicher Daten und Aufzeichnungen von Arbeitnehmern oder anderen Dritten angesehen worden, die zum Zwecke privater Recherchen ohne Einwilligung eingesammelt wurden.[30] Ob ein für die Verwertung erforderliches unabweisbares Bedürfnis des Arbeitgebers an der Beweisführung zu bejahen ist, kann sich erst anhand einer im Einzelfall darzulegenden Güterabwägung ergeben. So kann bspw. die Aufarbeitung von E-Mail-Verkehr aus betrieblichen Datenspeichern durchaus die Grenzen der Verwertbarkeit erreichen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitsplatz grds. auch für die private Nutzung bereitgestellt hat. Dann darf nicht eine „allgemeine Befugnis“ angenommen werden, solche Daten auszuwerten.[31] Von einer (auch nur mutmaßlichen) Einwilligung in die Datenrecherche kann nicht ausgegangen werden.[32] In gleicher Weise sind Informationen aus einer heimlichen, vom Betriebsrat nicht genehmigten Überwachung (§ 87 I Nr. 6 BetrVG, § 6b BDSG) in nicht öffentlich zugänglichen Räumen grundsätzlich unverwertbar.[33] Das Gleiche gilt für Aufzeichnungen von Telefonaten ohne Einwilligung der Verbindungsteilnehmer.[34] Eine Berichterstattung, die auf derartigen Recherchen beruht, ist ebenfalls nicht verwertbar.
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Ist zu erwarten, dass das Vorgehen und die Ergebnisse der Investigation auch Gegenstand von Auskunfts- und Herausgabepflichten des Auftraggebers in einem in- oder ausländischen Zivilprozess oder einem Verwaltungsverfahren sein können, sind die möglichen Informationsschutznormen des Verfahrensrechts mit dem Auftraggeber zu besprechen. Wird bspw. erwartet, dass der Auftraggeber für einen Produktmangel Haftungsforderungen nach US-amerikanischem Produkthaftungsrecht ausgesetzt sein kann, nach dessen Regeln durch ein selbstständiges Vor-Beweisverfahren (sog. pre-trial-discovery)[35] das Wissen des Unternehmens ausgeforscht werden kann, ist die Installierung eines Anwaltsprivilegs (sog. „Attorney-client-privilege“) zu erwägen und ggf. auch zu empfehlen. Auch wenn hierdurch kein umfassender Schutz vor allfälligen Verfahrenskonstellationen ausgelöst werden könnte, sollte Vorsorge vor überraschenden Entwicklungen betrieben werden, um so auch die Projektmitarbeiter und die jeweiligen Berichtsempfänger an einen disziplinierten Umgang mit Informationen zu gewöhnen.
a) Pflichtberichte und freiwillige Berichte
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Jenseits der gesetzlichen Verpflichtungen zur umgehenden Veröffentlichung von kapitalmarktrelevantem Wissen[36] bestehen für jedes in Deutschland gewerblich tätige Wirtschaftsunternehmen des privaten und des öffentlichen Sektors Verdachtsanzeigepflichten gem. § 11 GwG und § 138 StGB, Aufarbeitungs- und Berichtigungspflichten gem. § 153 AO und – branchenabhängig – Pflichten zur Unterrichtung der Aufsichtsbehörden bei Erkenntnissen, die in die jeweiligen Informationspflichten gegenüber diesen Behörden fallen. So können bspw. individuelle Regelungen zur (verwaltungspolizeilichen) Gefahrenabwehr (bspw. Produktsicherheit nach dem PSG (früher GPSG)) bestehen, aber auch Anforderungen, die einer Insolvenzgefahr (bspw. Unterrichtung bei hälftigem Kapitalverlust) vorgelagert sind oder einer gefährlichen Kettenreaktion einer für die Versorgung wichtigen Produktions- und Lieferkette vorbeugen sollen. Zielt der Auftrag zur Internal Investigation auf die Prüfung derartiger Vorgaben ab, dann ist eine sorgfältige aber auch zügige Projektdurchführung und Schlussberichterstattung geboten.
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Der Inhalt eines solchen Pflichtberichtes muss – wenn er von der mit der Investigation beauftragten Projektgruppe erstellt wird, auf alle berichtspflichtigen Details eingehen und vernünftige, rational nachvollziehbare, willkürfreie und der geltenden Rechtslage entsprechende Schlussfolgerungen enthalten. Um dies zu gewährleisten, sollte frühzeitig im Projekt entsprechendes fachliches Know-how gesichert werden. Weiter sollte das Projekt frühzeitig auf die Erkennbarkeit solcher Berichtspflichten ausgerichtet sein.
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Für Ad-Hoc-Berichte werden bspw. folgende meldepflichtige Vorgänge angeführt:[37]
– Manipulation von Finanzinformationen, – Corporate Misconduct, – Vermögensdelikte mit im Vergleich zur Unternehmenstätigkeit erheblichem finanziellen Schaden, – erhebliche Reputationsschäden bei anderweitigem Bekanntwerden, – kriminelles Verhalten von Mitgliedern des Führungskreises.166
Als freiwillige Berichte werden hier allerdings sämtliche Fälle der freiwilligen, unternehmensinternen Klärung von Kapitalmarktdelikten, Korruptionsdelikten, Mitarbeiterschädigungen, Produkthaftungsfällen, IT-Angriffen etc. behandelt. Dass sich eine Unternehmensleitung u.U. durch eine pflichtwidrige Unterlassung einer gebotenen Investigation auch schadensersatzpflichtig und ggf. auch strafbar machen kann,[38] führt noch nicht zu einer uneingeschränkten vorbeugenden Berichtspflicht an Behörden. Das Unternehmen muss auch dabei sorgfältig Chancen und Risiken, Stärken und Schwächen einer Preisgabe von derartig konzentriert zusammengetragenen Unternehmensinformationen abwägen. Nicht ohne Grund bestehen bspw. auch keine Veröffentlichungspflichten für den Prüfungsbericht von Abschlussprüfern. Wenn bspw. die Gewerbeaufsichtsämter produkt- und arbeitssicherheitsrelevante Untersuchungen anstellen, muss ein Unternehmen nur die dafür relevanten Informationen auf Anforderung (§ 95 Abs. 1 StPO). Das Recht des Unternehmens zu eigenen Nachforschungen besteht jedenfalls parallel zu derartigen Ermittlungen und darf sich – auch ohne eine Herausgabepflicht – auf weitergehende Inhalte beziehen. Dem Unternehmen nutzen solche Berichte im behördlichen Verfahren allerdings nur, wenn sie die Beweislage klären, eine etwaige Haftung eingrenzen oder beseitigen können oder – zumindest – auf eine mildere Sanktionierung oder Strafzumessung hinwirken können. Der Rechtsgedanke des § 46 StGB, der auch im Beurteilungs- und Ermessensraum des OWiG (vgl. § 17 OWiG) anzusiedeln ist, können für das Unternehmen sowohl eine Begrenzung der Ermittlungen als auch einen Strafnachlass bedeuten. Obgleich in der Anfangssituation eines Ermittlungsverfahrens viel dafür spricht, eine solche kooperative Haltung zum Nutzen des Unternehmensvermögens, seiner Reputation und seiner Mitarbeiter einzunehmen, sollte auch diese Entscheidung sorgfältig abgewogen und ausreichend dokumentiert sein. Wenn Unternehmen sich auf den Standpunkt stellen, mit Ermittlungsbehörden nicht kooperieren zu wollen, dann ist dies jedenfalls eine freie Ermessensentscheidung. Eine zwangsweise durchsetzbare Rechtspflicht zur Kooperation mit Behörden, die Strafen und Sanktionen gegen den Berichtenden aussprechen können, besteht nicht („nemo-tenetur se ipsum accusare“).[39]
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Ob ein Unternehmen im Zuge von Straf- oder Bußgeldverfahren mit der ermittelnden Behörde kooperiert und an diese Berichte über die Internal Investigation herausgibt, wird in der Praxis stark motiviert durch informelle Zusagen der Behörden über Strafnachlässe und sonstige Milderungen der Umsetzung von Besserungs- und Selbstreinigungsmaßnahmen, die den Anforderungen oder Auflagen der Behörden genügen. Solche Maßnahmen können allerdings nur erzwungen werden, wenn eine förmliche Bindung des Unternehmens an solche Auflagen eingetreten ist oder das Unternehmen – nach wohlüberlegter Abwägung der Vorteile und Nachteile für das Unternehmen – aus eigener Überzeugung sich zur Umsetzung solcher Maßnahmen entscheidet (auch im Vorgriff oder zur Vermeidung verbindlicher Auflagen). Auf vage Zusagen der Behörden hin muss sich das Unternehmen nicht festlegen. Es kann nach in- und ausländischen Vorgaben mit der Investigation einen eigenen Kurs wählen und damit (zunächst) autonom über die Verwendung der Ergebnisse der Internal Investigation bestimmen. Das gilt auch bei Anwendung der sog. US-amerikanischen SEC-Verhaltensempfehlungen (sog. „Sentencing Guidelines“) oder vergleichbarer kartellrechtlicher Vorgaben von EU-Behörden und des BKartA. Vielfach empfiehlt es sich daher, möglichst förmliche Zusagen zu verabreden oder – wenn die Behörde sich nicht selbst binden will – eine Dokumentation der Gespräche mit den Behörden anzulegen, um ggf. später bei Versuchen der Behörden, sich von diesen Zusagen zu distanzieren („Erinnerungslücken“, „Dezernatswechsel“) die Gesprächssituationen dokumentieren zu können.
b) Berichtsinhalt, Berichtsformat