- -
- 100%
- +
Anmerkungen
[1]
Fischer § 203 Rn. 2 ff.
[2]
Fischer § 203 Rn. 4.
[3]
Fischer § 203 Rn. 5.
[4]
Fischer § 203 Rn. 6.
[5]
Vgl. oben Rn. 12 ff.
[6]
Vgl. die umfangreiche Übersicht bei Fischer § 203 Rn. 37 ff. und 45 ff.
[7]
LG Hamburg StV 2011, 148, 149.
[8]
Fischer § 356 Rn. 2a.
[9]
Fischer § 356 Rn. 2b.
[10]
Grunewald AnwBl 2005, 437, 437 f.
[11]
Grunewald AnwBl 2005, 437, 438.
[12]
Vgl. Fischer § 356 Rn. 3c; Grunewald AnwBl 2005, 437, 441.
[13]
Fischer § 356 Rn. 3c.
[14]
Vgl. nur die überzeugende Begründung in BVerfGE 43, 79, 90 ff.
[15]
Fischer § 356 Rn. 3b f.
[16]
So Klengel/Mückenberger CCZ 2009, 81, 82.; Schuster ZIS 2010, 68,69, beide m.w.N.
[17]
Umfassend Klengel/Mückenberger CCZ 2009, 81, 83 ff., m.w.N.
[18]
Vertiefend zum Beispiel der E-Mail- und EDV-Kontrollen und mit umfassender rechtlicher Würdigung Schuster ZIS 2010, 68, 69 ff.; Rübenstahl/Debus NZWiSt 2012, 129 ff.
[19]
Umfassend Klengel/Mückenberger CCZ 2009, 81, 83 ff.; Lackmuth/de Lamboy/Zawilla/Minoggio S. 913; Rübenstahl/Debus NZWiSt 2012, 129 ff., alle m.w.N.
[20]
Dennoch werden sie z.B. von Rübenstahl WiJ 2012, 17, 29, explizit als Strafbarkeitsrisiken interner Ermittler genannt.
1. Teil Ermittlungen im Unternehmen › 5. Kapitel Die Rechtsstellung der internen Ermittler › VII. Berufsrechtliche Verstöße des internen Ermittlers
1. Verstöße gegen § 43a BRAO
74
§ 43a BRAO erfasst die so genannten Grundpflichten des Rechtsanwalts. Zu ihnen zählen nach Abs. 1 die Pflicht zur beruflichen Unabhängigkeit, nach Abs. 2 die Verschwiegenheitspflicht, nach Abs. 3 die Pflicht zur Sachlichkeit, nach Abs. 4 die Pflicht, keine widerstreitenden Interessen zu vertreten, nach Abs. 5 die Vermögensbetreuungspflicht für anvertraute Gelder und nach Abs. 6 die Fortbildungspflicht. Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen deckt sich dabei weitestgehend mit dem Anwendungsbereich des § 356 StGB.[1]
2. Verstöße gegen § 45 BRAO
75
Nach § 45 BRAO darf der Rechtsanwalt ebenfalls nicht tätig werden, wenn er nach Abs. 1 Nr. 1 in derselben Rechtssache als Richter, Schiedsrichter, Staatsanwalt, Angehöriger des öffentlichen Dienstes, Notar, Notarvertreter oder Notariatsverwalter bereits tätig geworden ist, wenn er nach Abs. 1 Nr. 2 als Notar, Notarvertreter oder Notariatsverwalter eine Urkunde aufgenommen hat und deren Rechtsbestand oder Auslegung streitig ist oder die Vollstreckung aus ihr betrieben wird, wenn er nach Abs. 1 Nr. 3 gegen den Träger des von ihm verwalteten Vermögens vorgehen soll in Angelegenheiten, mit denen er als Insolvenzverwalter, Nachlassverwalter, Testamentsvollstrecker, Betreuer oder in ähnlicher Funktion bereits befasst war, und nach Abs. 1 Nr. 4, wenn er in derselben Angelegenheit außerhalb seiner Anwaltstätigkeit oder einer sonstigen Tätigkeit i.S.d. § 59a Abs. 1 S. 1 BRAO bereits beruflich tätig war, was nicht gilt, wenn die berufliche Tätigkeit beendet ist. Nach Abs. 2 ist dem Rechtsanwalt darüber hinaus untersagt, in Angelegenheiten, mit denen er bereits als Rechtsanwalt gegen den Träger des zu verwaltenden Vermögens befasst war, als Insolvenzverwalter, Nachlassverwalter, Testamentsvollstrecker, Betreuer oder in ähnlicher Funktion tätig zu werden oder in Angelegenheiten, mit denen er bereits als Rechtsanwalt befasst war, außerhalb seiner Anwaltstätigkeit oder einer sonstigen Tätigkeit i.S.d. § 59a Abs. 1 S. 1 BRAO beruflich tätig zu werden. Die Verbote der Abs. 1 und 2 gelten nach Abs. 3 auch für die mit dem Rechtsanwalt in Sozietät oder in sonstiger Weise zur gemeinschaftlichen Berufsausübung verbundenen oder verbunden gewesenen Rechtsanwälte und Angehörigen anderer Berufe und auch insoweit einer von diesen im Sinne der Abs. 1 und 2 befasst war.
3. Sonstiges
76
Weitere berufsrechtliche Pflichten können im Einzelfall zu beachten sein. So ist beispielsweise einem Syndikusrechtsanwalt gem. § 46c Abs. 2 BRAO untersagt, für seinen Arbeitgeber vor Gericht aufzutreten, wenn Rechtsanwaltszwang besteht, oder seinen Arbeitgeber bzw. dessen Mitarbeiter in einem gegen diese gerichteten Verfahren zu verteidigen.[2] Auch als Verteidiger des Unternehmens, dem eine Unternehmensgeldbuße droht oder das als Einziehungs- oder Verfallsbeteiligter von einem Strafverfahren betroffen ist, darf der Syndikusrechtsanwalt nicht auftreten, da die Verteidigungsrechte sonst durch die Einschränkung des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO unterlaufen würden.[3] Entsprechendes gilt, wenn der Syndikusrechtsanwalt außerhalb seiner Syndikustätigkeit als niedergelassener Rechtsanwalt mit der Verteidigung gegen einen unternehmensbezogenen Tatvorwurf beauftragt werden soll, da sonst eine Umgehung des vorstehend erläuterten Verbotes droht.[4] Eine Vertretung des Unternehmens, das z.B. als Nebenkläger an einem Strafverfahren beteiligt ist, ist nach neuer Rechtslage nun jedoch zulässig.[5] Auch viele weitere nach altem Recht bestehende Vertretungsverbote sind mit der neuen Rechtslage entfallen.[6]
Anmerkungen
[1]
Grunewald AnwBl 2005, 437, 437.
[2]
Vgl. zur alten Rechtslage Henssler/Prütting/Henssler BRAO, 4. Aufl. 2014, 46 Rn. 29 f.; Kleine-Cosack BRAO, 7. Aufl. 2015, § 46 Rn. 21 f.; zur neuen Rechtslage BT-Drucks. 18/5201, 36 ff.
[3]
BT-Drucks. 18/5201, 38.
[4]
BT-Drucks. 18/5201, 38.
[5]
BT-Drucks. 18/5201, 38.
[6]
Vertiefend BT-Drucks. 18/5201, 36 ff.
1. Teil Ermittlungen im Unternehmen › 6. Kapitel Ermittlungen und Beweissicherung – Unterlagen und EDV
6. Kapitel Ermittlungen und Beweissicherung – Unterlagen und EDV
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Prüfungsplanung
III. Durchführung der Ermittlungen im Unternehmen
IV. Ausgewählte Aspekte der Dokumentation des Ermittlungsprozesses
Literatur:
Bundesministerium für Finanzen BMF-Schreiben: Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD), 14.11.2014; Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik Leitfaden „IT-Forensik“, Version 1.0.1, März 2011; DiNapoli/Hancox (State of New York, Office of the State Comptroller), Red Flags for Fraud, 2010; Geschonneck Computer Forensik: Computerstraftaten erkennen, ermitteln, aufklären, 3. Aufl. 2008; Institut der Wirtschaftsprüfer IDW PS 210: Zur Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten im Rahmen der Abschlussprüfung, Stand: 12.12.2012; dass. IDW PS 240: Grundsätze der Planung von Abschlussprüfungen, Stand: 9.9.2010; dass. IDW PH 9.330.3: Einsatz von Datenanalysen im Rahmen der Abschlussprüfung, Stand: 15.10.2010; dass. IDW PS 980: Grundsätze ordnungsgemäßer Prüfung von Compliance Management Systemen, Stand: 11.3.2011; Knabe/Mika/Müller/Rätsch/Schruff Zur Beurteilung des Fraud-Risikos im Rahmen der Abschlussprüfung, WPg 2004, 1057; OECD Indicator of procurement risk, www.oecd.org/governance/procurement/ toolbox/indicatorsofprocurementrisk.htm, ohne Jahresangabe; Töller/Herde Einsatz von Analysesoftware in der Prüfung – Kann meine Prüfungssoftware richtig addieren? Unerwartete Probleme bei Plausibilitätskontrollen, WPg 2012, 598; Weltbank Most Common Red Flags of Fraud and Corruption in Procurement, ohne Jahresangabe.
1. Teil Ermittlungen im Unternehmen › 6. Kapitel Ermittlungen und Beweissicherung – Unterlagen und EDV › I. Einleitung
I. Einleitung
1
Die in den letzten Jahren bekannt gewordenen Korruptionsgeschäfte bei Siemens, Daimler oder MAN sowie die aktuellen technischen Manipulationen bei Volkswagen, gehörten zu den wohl größten deutschen Wirtschaftsskandalen in jüngster Zeit und führten in den betroffenen Unternehmen zu zeitlich intensiven, teilweise jahrelangen Ermittlungen. Diese auch in den Medien viel diskutierten Fälle bilden lediglich die Spitze des Eisbergs der tagtäglichen praktischen Ermittlungsvielfalt, die sich von einfachen oder personenbezogenen Untersuchungsthemen bis hin zu juristisch, betriebswirtschaftlich und technisch komplexen Ermittlungssachverhalten in internationalen Unternehmen erstrecken.
2
Im vorliegenden Beitrag werden exemplarische Schwierigkeiten, punktuelle Denkanstöße und mögliche Lösungsansätze aus der Ermittlungspraxis in Unternehmen aus der Sicht externer Ermittler dargestellt. Hierzu wird im ersten Abschnitt kurz auf Planungsaspekte des Ermittlungsprozesses[1] eingegangen. Der zweite Abschnitt und Hauptteil beinhaltet die Darstellung wesentlicher Meilensteine eines praktischen Ermittlungsprozesses. Insbesondere wird der Hauptteil punktuell um aktuelle IT-Themen ergänzt. Abschließend werden im dritten Abschnitt kurz die Anforderungen an die Dokumentation von Ermittlungsaktivitäten erläutert.
Anmerkungen
[1]
Die Begriffe Ermittlung, Prüfung und Untersuchung werden in diesem Beitrag vereinfachend im gleichen Kontext verwendet.
1. Teil Ermittlungen im Unternehmen › 6. Kapitel Ermittlungen und Beweissicherung – Unterlagen und EDV › II. Prüfungsplanung
II. Prüfungsplanung
3
Die Prüfungsplanung ist ein Bestandteil der Auftrags- und Projektplanung und setzt sich im Wesentlichen aus der sachlichen Planung der Ermittlungsziele und des Prüfungsprogramms sowie der personellen und zeitlichen Planung zusammen.[1]
a) Definition von Ermittlungszielen
4
Die Definition der Ermittlungs- oder auch Prüfungsziele ist der wesentliche Ausgangspunkt der Prüfungsplanung und bestimmt im Folgenden die Konzeptionierung des Prüfungsprogramms zur Operationalisierung von Untersuchungsschwerpunkten. Die zunächst trivial erscheinende Definition von Ermittlungszielen wird oftmals durch die praktische Komplexität und den Facettenreichtum des Einzelfalls erschwert. Das Ermittlungsziel geht in der Regel unmittelbar aus dem mehr oder weniger konkreten Arbeitsauftrag hervor. Im Verlauf der Untersuchungen werden regelmäßig weitere Risiken identifiziert, welche in der Anfangsphase der Ermittlungen zunächst nicht im Fokus standen.
5
War es bspw. im Falle Siemens zunächst die einfache Anfrage eines Betriebsprüfers zum wirtschaftlichen Gehalt von Zahlungen an Auslandslieferanten, weiteten sich im Laufe der Zeit die Ermittlungen wie ein Flächenbrand auf weitere rechtliche und betriebswirtschaftliche Gebiete aus. Immer weitere Ermittlungsziele resultierten aus Anforderungen unterschiedlicher Interessengruppen und bezogen sich u.a. auf Themen der Korruption, Steuerhinterziehung, Untreue, Geldwäsche, US-Börsengesetze sowie auch auf arbeitsrechtliche Fragestellungen.
6
Bei Vorliegen mehrerer Ermittlungsziele besteht die Notwendigkeit zur Erarbeitung einer nach Prioritäten abgestuften Zielhierarchie, welche unterschiedliche Ziele und Zieldimensionen bündelt und gewichtet.
b) Risikoorientiertes Prüfungsprogramm
7
Die in der ersten Planungsphase erarbeiteten Ermittlungsziele werden in ein risikoorientiertes Prüfungsprogramm überführt, in welchem die Identifizierung und Analyse problem- bzw. risikobehafteter Unternehmensprozesse und Verhaltensmuster im Mittelpunkt stehen. Der Kerngedanke des risikoorientierten Prüfungsprogramms ist die Erarbeitung eines Bündels von Prüfungshandlungen, mit denen unter Berücksichtigung einer vertretbaren Wesentlichkeit das angestrebte Ermittlungsziel zunächst möglichst ökonomisch umgesetzt werden kann.
8
Der risikoorientierte Prüfungsansatz steht gerade bei der Prüfung gesetzeswidriger Sachverhalte im Spannungsfeld zwischen einer idealen Vollprüfung und einer möglichst ökonomischen Aufarbeitung von Sachverhalten. Ein Gesetzesverstoß ist in der Regel nicht an die Intensität des Gesetzesbruchs geknüpft, so dass bspw. die Höhe von Korruptionszahlungen, mit Ausnahme von Bagatellfällen, für die Einordnung eines Straftatbestands rechtlich unerheblich ist. Jedoch ist auf der ersten Stufe der Planungs- und Ermittlungsaktivitäten eine Komplexitätsreduktion durch eine risikoorientierte Vorgehensweise in Abstimmung mit öffentlichen Ermittlern, wie bspw. der Staatsanwaltschaft oder steuerlichen Außenprüfern, üblich. Trivial verkürzt bedeutet dies bspw. im Falle von vermuteten Korruptionsgeschäften, dass zunächst internationale Großprojekte mit relativ hohen Vermittlungsprovisionen – ab einer mit mathematisch-statistischen Verfahren ermittelten Beitragsgrenze – geprüft würden.
9
Das Prüfungsprogramm wird hierzu in einzelne Untersuchungsgebiete, die sog. Prüffelder[2], aufgeteilt. Innerhalb der Prüffelder sind auf Grund der ersten Risikoeinschätzungen Prüfungsschwerpunkte zu bestimmen, um hieraus konkrete operationale Merkmale oder Indikatoren abzuleiten, die zunächst Gegenstand der Untersuchung sind. Den Prüffeldern werden Ermittlungshandlungen zugewiesen, deren Art und Umfang sich individuell je nach Risikogewichtung im Sinne eines Mindestprüfungskatalogs bemessen.
10
Beispiel:
Es werden Vermögensschädigungen eines Unternehmens durch die Geschäftsführung vermutet. Das Prüfungsziel besteht zunächst in der Analyse sämtlicher Transaktionen zwischen Geschäftsführung und Unternehmen. Hierauf aufbauend kann die sinnvolle Einteilung von Prüffeldern in die folgenden Untersuchungsgebiete sinnvoll sein:
– Geschäftsvorfälle, z.B. Verträge, zwischen dem Unternehmen und der Geschäftsführung oder der Geschäftsführung nahestehender Unternehmen oder Personen, wie bspw. Familienmitglieder; – Banktransaktionen und Kassenbewegungen; – Geschäftsvorfälle mit offensichtlich negativen Auswirkungen auf das Vermögen des Unternehmens wie bspw. der zu günstige Verkauf von Vermögensgegenständen; – Bewirtungs-, Spesen- und Reisekostenabrechnungen zur Beurteilung der Abrechnung von Privatkosten oder der Angemessenheit von Aufwendungen.11
Der Risiko- und Prüfungsschwerpunkt wird in der Praxis auf dem ersten Prüfungsfeld, den Transaktionen zwischen dem Unternehmen und der Geschäftsführung sowie dieser nahestehenden Unternehmen liegen. Das vorgenannte Prüfungsfeld bietet in der Regel den höchsten Verschleierungsgrad und das geringste Entdeckungsrisiko mit den „lukrativsten“ Einnahmemöglichkeiten des Schädigenden, ist jedoch von Art und Umfang der Prüfungshandlungen relativ arbeitsintensiv.
12
Zur Operationalisierung von Prüfungszielen und Abgrenzung von Prüfungsfeldern können in diesem Fall Indikatorsysteme mittels sog. „red flags“ herangezogen werden. Red flags sind Anzeichen, Indizien oder auch Warnhinweise, die auf Straftaten, andere Gesetzesverstöße oder betriebliche Unregelmäßigkeiten hinweisen können.
13
Zahlreiche typisierte red-flag-Modelle für verschiedene betriebliche Funktionen und Branchen resultieren aus Umfragen, Erfahrungswerten und empirischen Beobachtungen aus der Ermittlungspraxis. Diese Modelle zeigen potentielle Anzeichen für Straftaten, ordnungswidrige Handlungen oder sonstige Unregelmäßigkeiten an und können erste Ansatzpunkte für die Ermittlungsplanung aufzeigen. Exemplarisch werden im Folgenden red flags für die betrieblichen Funktionen Finanzen und Einkauf erläutert.[3]
aa) Red flags im betrieblichen Finanzwesen
14
Das Institut der Wirtschaftsprüfer („IDW“) zeigt in seinem Prüfungsstandard IDW PS 210 red flags auf, welche insbesondere im Finanzbereich eines Unternehmens auf potentielle Unregelmäßigkeiten oder Gesetzesverstöße hinweisen können. Der Einsatzbereich des IDW PS 210 liegt zwar ursprünglich in der traditionellen Abschlussprüfung, bietet jedoch allgemein verwertbare Anwendungsbeispiele für betriebliche Ermittlungen. Zu den red flags zählen u.a.:[4]
– kritische Unternehmenssituationen, u.a. risikoreiche Ertragsquellen; – ungewöhnliche Geschäfte, u.a. Geschäfte mit nahestehenden Personen; – nicht protokollierte oder nicht genehmigte Änderungen von computergestützten Informationssystemen.bb) Red flags im betrieblichen Einkauf
15
Die Weltbank hat für die betriebliche Funktion Einkauf die „Most Common Red Flags of Fraud and Corruption in Procurement“[5] erhoben. Die red flags stellen die, aus Sicht der Weltbank, zehn häufigsten Standardfälle und Warnzeichen von möglichen Unregelmäßigkeiten in Einkaufsprozessen dar. Bspw. werden ungewöhnliche Bietermuster und hiermit zusammenhängende mögliche Absprachen durch folgende Indizien operationalisiert:
– die Höhe der abgegebenen Gebote unterscheidet sich systematisch anhand verschiedener linearer Abweichungen zueinander (bspw. 1 %, 10 % Abweichungen); – die abgegebenen Gebote stehen in einem auffälligen Missverhältnis zueinander und sind entweder zu hoch oder zu niedrig; – Verlierer von Angebotsverfahren werden Zulieferer der Gewinner der Angebotsverfahren; – offensichtliche Rotation von Gewinnern von Angebotsverfahren.cc) Projektspezifische Entwicklung von Indikatoren
16
Die aus Literatur und Praxis bekannten red-flags können als theoretische Benchmarks im Sinne objektivierter Erfahrungswerte eine erste Orientierung in der Planung des Prüfungsprogramms geben und potentielle Risiken sowie praktische Ermittlungsschritte aufzeigen. Im Einzelfall sind diese Indikatoren grundsätzlich individuell auf den Arbeitsauftrag und die Komplexität des Einzelfalls anzupassen, weiterzuentwickeln und unter Berücksichtigung der Prüfungsziele zu gewichten.
17
Ein möglicher Ausgangspunkt der Entwicklung von Risikoindikatoren kann hierbei das sog. „Self-Assessment“ des betroffenen Unternehmens sein. Im Mittelpunkt steht hier zunächst die in der Eigenverantwortung des Unternehmens stehende Analyse und Auswertung von Problembereichen.
18
Die erarbeiteten Indikatoren sollen im Ergebnis zu einem erkenntnisrelevanten Risikoprofil führen, welches möglichst offen zu konzipieren ist, um auch vergleichbare Muster und Fälle zu erfassen, die eventuell noch nicht bekannt sind.[6] Ein Vorteil solcher red flag Systeme zeigt sich in der Analyse von standardisierten Massendaten. Wenn es gelingt, aus dem identifizierten Risikoprofil ein quantitatives Indikatormodell zu entwickeln und dieses handhabbar in die Arbeitsphase, u.a. der Datenanalyse und –auswertung, einzubringen, lässt sich eine hohe Datendichte mit relativ einfachen und standardisierten Mitteln effektiv untersuchen. Voraussetzung hierfür ist die Ableitung valider Indikatoren, wie bspw. atypische Merkmalshäufungen oder das Vorliegen eindeutiger Hinweiskombinationen.
19
Beispiel:
Ermittlungen im Kontext von Vertriebsunregelmäßigkeiten in einem Unternehmen führen zu einem möglichen Risikoprofil mit den folgenden red flags, die in der Phase der Informationsbeschaffung abgefragt werden sollen:
– „Zahlungen an Lieferanten mit Sitz in Steueroasen“; – „Phantasienamen von Kunden mit ungewöhnlicher Rechtsform“; – „Sitz des Zahlungsempfängers weicht vom Bankland ab“; – „Zahlung ohne erkennbaren Leistungsgegenstand bzw. Bestellung“.20
Art und Umfang von Prüfungshandlungen werden, abgesehen von einer Vollprüfung von Geschäftsvorfällen, durch das risikoorientierte Prüfungsprogramm bemessen. Grundsätzlich ist es sinnvoll, je Prüffeld einen Mindestprüfungskatalog zu planen, der in späteren Ermittlungsphasen neuen Erkenntnissen angepasst werden kann. Bei der Bestimmung des Umfangs von Prüfungshandlungen sind Stichprobenverfahren anzuwenden, um valide Prüfungsaussagen, bezogen auf die gewählte Stichprobengröße und Grundgesamtheit zu gewährleisten und insgesamt eine hohe Prüfsicherheit zu erreichen.
21
Begleitend zur Bestimmung der Prüfungshandlungen sind insbesondere der Einsatz von Ermittlungstools und Prüfungstechniken sowie die Art der Dokumentation und, soweit erforderlich, des Reportings zu planen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, welche Arten von Informationsquellen im Unternehmen verfügbar sind und welche Zugänge sowie Verwertungsmöglichkeiten hierzu bestehen, da u.a. datenschutzrechtliche Bestimmungen die Verwertung von Informationen erheblich erschweren können.[7]
2. Personelle Planung
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Hinsichtlich der personellen Planung liegt der wesentliche Schwerpunkt in der Zusammenstellung und Sicherstellung der Verfügbarkeit der für die Ermittlung erforderlichen Wissensressourcen. Dabei sind die Berücksichtigung ausreichender fachlicher Qualifikationen und beruflicher Erfahrungen Mindestvoraussetzungen bei der Planung. Abhängig von Art, Umfang und Komplexität des Ermittlungsauftrags kann die Personalplanung von der einfachen Einsatzplanung eines oder mehrerer Spezialisten bis hin zur Bildung von multidisziplinären Ermittlerteams reichen. Insbesondere ist der Grundsatz der Unabhängigkeit zu beachten, nach dem die am Ermittlungsprozess beteiligten Personen keine Interessenskonflikte, u.a. finanzielle oder persönliche, in Hinblick auf das Untersuchungsobjekt haben dürfen. Geeignete Maßnahmen zur Sicherung der Unabhängigkeit sind bei der Personalplanung im Vorfeld der eigentlichen Ermittlungstätigkeit zu berücksichtigen.