- -
- 100%
- +
Praxistipp:
Bestehen in den Arbeitsverträgen der betroffenen Arbeitnehmer dynamische Bezugnahmeklauseln, welche die bei dem übernehmenden Rechtsträger nunmehr anwendbaren anderen Tarifverträge auch arbeitsvertraglich zur Anwendung bringen, müssen mit den betroffenen Mitarbeitern nicht einmal neue arbeitsvertragliche Absprachen getroffen werden.[47]
– Zudem können auch im Rahmen einer übertragenden Umwandlung ggf. die Gestaltungsmöglichkeiten genutzt werden, die sich aus dem neuen § 4a TVG ergeben.[48]4. Share Deal bzw. Abschluss von Unternehmensverträgen als Mittel zur Veränderung der konzernbezogenen Mitbestimmung
33
Unmittelbar arbeitsrechtlich relevant kann ein Gesellschafterwechsel, der dennoch lediglich die oben unter Rn. 7 ff. beschriebenen Unterrichtungs- und Beratungsrechte auslöst, vor allen Dingen mit Blick auf die Konzernstrukturen für die Unternehmensmitbestimmung und/oder die betriebliche Mitbestimmung auf Konzernebene werden, wenn hierdurch erstmals ein Unterordnungskonzern i.S.d. § 18 AktG begründet oder ein solcher Konzern beseitigt wird. Dennoch ist die Konzernbildung ein rein gesellschaftsrechtlicher Vorgang, welcher dem Einfluss der betrieblichen Arbeitnehmervertretungen (Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat) entzogen ist, sofern er nicht mit tatsächlich-organisatorischen Änderungen i.S.d. § 111 BetrVG verbunden wird.[49]
34
Praxistipp:
Dies gilt auch für den Abschluss von Gewinnabführungsverträgen,[50] die für sich genommen gegenüber einem Beherrschungsvertrag vorteilhaft sein können, wenn im Rahmen einer dem DrittelbG unterliegenden Konzernstruktur eine Zurechnung nach § 2 Abs. 2 DrittelbG vermieden werden soll (dazu gleich unter Rn. 40).
35
Die Arbeitnehmerseite kann sowohl bei dem Abschluss eines Beherrschungsvertrags (§§ 291 ff. AktG) als auch bei der Bildung eines faktischen Konzerns (§§ 311 ff. AktG) allein auf der Ebene der Unternehmensmitbestimmung (durch Arbeitnehmervertreter in einem mitbestimmten Aufsichtsrat) Einfluss nehmen, z.B. durch entsprechendes Abstimmungsverhalten im Hinblick auf den Abschluss eine Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags.[51]
36
Auf betrieblicher Ebene besteht nur – aber immerhin – ein Auskunfts- und Beratungsanspruch des Wirtschaftsausschusses nach § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG. Das BetrVG enthält insbesondere keine Vorgaben zur Arbeitnehmerbeteiligung als Wirksamkeitsvoraussetzung für die Etablierung von Konzernstrukturen, sondern knüpft an die Etablierung bzw. Beseitigung entsprechender Strukturen lediglich Folgewirkungen.[52] Hiervon ausgehend kann ein Beteiligungserwerb bzw. eine Anteilsveräußerung zur Begründung oder Beendigung von Konzernverhältnissen führen, die mitbestimmungsrechtlich unter mehreren Gesichtspunkten relevant ist:
a) Erstmalige Bildung von Arbeitnehmervertretungen auf Konzernebene
37
Die Begründung eines Unterordnungskonzerns i.S.d. § 18 AktG kann erstmalig zur Gründung eines Konzernbetriebsrats[53] sowie dazu führen, dass im Rahmen der Unternehmensmitbestimmung Schwellenwerte für die Bildung eines mitbestimmten Aufsichtsrats nach § 2 DrittelbG bzw. § 5 MitbestG überschritten werden.
b) Erlöschen von Arbeitnehmervertretungen auf Konzernebene
38
Umgekehrt kann die Beendigung eines Unterordnungskonzerns i.S.d. § 18 AktG entweder dazu führen, dass der Konzernbetriebsrat als solcher erlischt[54] bzw. – bei Ausscheiden eines Rechtsträgers aus dem Unterordnungskonzern – bestimmte Mitglieder aus ihm ausscheiden.[55]
39
Ebenso kann die Beendigung eines Unterordnungskonzerns i.S.d. § 18 AktG dazu führen, dass – mangels Zurechnung nach § 5 MitbestG, § 2 Abs. 2 DrittelbG – die Schwellenwerte für eine Arbeitnehmermitbestimmung im Aufsichtsrat nach §§ 1 MitbestG, DrittelbG nicht mehr erreicht werden, sodass ein Statusverfahren (§ 97 AktG) zur Neubildung eines Aufsichtsrats ohne Arbeitnehmerbeteiligung durchzuführen ist.
40
Praxistipp:
Im Rahmen von § 2 Abs. 2 DrittelbG genügt es sogar, ohne Beseitigung der Konzernstruktur als solcher, den die Zurechnung nach dieser Norm bewirkenden Beherrschungsvertrag zu beenden, um eine Konzernzurechnung zu beenden und dadurch einen neuen, nicht mitbestimmten Status zu erreichen. Denn ein faktischer Konzern ist insoweit – anders als im Rahmen des § 5 MitbestG – für die Zurechnung nicht ausreichend.[56] In jedem Fall führt im Übrigen eine Neuordnung hin zu einem Gleichordnungskonzern zum Entfallen einer Zurechnung i.S.d. § 5 MitbestG, § 2 DrittelbG bzw. eines Konzernbetriebsrats (soweit dies nicht durch Vereinbarungen nach § 3 BetrVG[57] kompensiert werden kann und wird).
c) Geltung von Konzernbetriebsvereinbarungen
41
Ebenfalls relevant ist die Begründung bzw. Beendigung von Unterordnungskonzernverhältnissen für die Geltung von Konzernbetriebsvereinbarungen, die bei Einbezug in ein derartiges Konzernverhältnis erstmalig zur Anwendung kommen können.[58] Dies ist letztlich eine durch Auslegung zu klärende Frage ihres Geltungsbereichs.
42
Umgekehrt kann ein Ausscheiden aus dem Unterordnungskonzern zur Beendigung der Geltung von Konzernbetriebsvereinbarungen (wiederum eine Auslegungsfrage) bzw. zu deren Umwandlung in Gesamt- bzw. Einzelbetriebsvereinbarungen führen.[59]
43
Praxistipp:
In diesem Kontext sind auch Insolvenztatbestände relevant, weil die Insolvenz eines Unternehmens nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH bewirkt, dass es aus dem entsprechenden Konzernverbund ausscheidet.[60] Dies soll sogar dann gelten, wenn das herrschende Unternehmen von einer Insolvenz betroffen ist. Die geplante Änderung des Konzerninsolvenzrechts wird hieran nichts ändern.[61] Auch eine erhebliche Erweiterung von Mitbestimmungsrechten bei konzernweiten Insolvenzen wird mit ihr nicht verbunden sein.[62]
aa) Einführung Holdingstrukturen
44
Während der Erwerb neuer Beteiligungen daher weitestgehend einer Einflussnahme durch Mitbestimmungsgremien entzogen ist, kann die Einführung einer Holdingstruktur zunächst dann in größerem Umfang Mitbestimmungsrechte auslösen, wenn sie durch übertragende Umwandlungen i.S.d. UmwG bewirkt wird. Es gelten dann die oben unter Rn. 23 skizzierten und in Kapitel 4 Rn. 133 ff. ausführlich dargestellten Beteiligungsrechte.
45
Wird im Rahmen der Einführung einer Holdingstruktur der Rechtsträger, der die Holding bildet, nicht neu geschaffen und aufgebaut, sondern werden – wie zumeist – alle bislang dort angesiedelten Funktionen mit Ausnahme von zentralen Leitungs- und Verwaltungsfunktionen (in Form von entsprechenden Stabsstellen für die einzelnen Sparten) auf Tochtergesellschaften (im Rahmen einer Spartenorganisation) ausgegliedert, ist damit in Bezug auf den ausgliedernden Rechtsträger eine Betriebsänderung (§ 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG) verbunden,[63] vor deren Umsetzung (vgl. § 113 BetrVG) der zuständige Betriebsrat zu beteiligen ist (vgl. sogleich unter Rn. 73 ff.).
46
Praxistipp:
Entsprechende Beschlüsse dürfen die Organe des betreffenden Rechtsträgers allerdings bereits ohne Beteiligung des Betriebsrats getroffen haben.[64]
47
Wird die Holdingstruktur demgegenüber mit rein gesellschaftsrechtlichen Mitteln herbeigeführt, ohne die Organisationsstrukturen zu verändern, die für den Betriebsbegriff i.S.d. BetrVG maßgeblich sind, scheiden Beteiligungsrechte nach §§ 111 ff. BetrVG aus.[65]
48
Beispiel:
Dies gilt z.B. dann, wenn Gesellschafter beschließen, ihre Beteiligungen durch eine gemeinsame, neu gegründete Obergesellschaft halten zu lassen, auf die keine operativen Funktionen aus den Beteiligungsgesellschaften übertragen werden, sodass sich die Betriebsstrukturen innerhalb der Beteiligungsgesellschaften nicht ändern.[66]
bb) Beendigung von Holdingstrukturen
49
Ebenso wie die Einführung von Holdingstrukturen ohne Übertragung von operativen Funktionen ist auch die Beendigung entsprechender Strukturen dann mit Blick auf §§ 111 ff. BetrVG mitbestimmungsfrei, wenn mit ihr keine Änderung der Betriebsstruktur oder -organisation bei den Beteiligungsgesellschaften, z.B. durch eine nicht nur gesellschaftsrechtliche, sondern auch organisatorische Entflechtung, einhergeht.[67]
e) Einführung von Spartenorganisation und Matrixstrukturen
50
Denkbar sind Holdingstrukturen wie bereits angedeutet (vgl. oben Rn. 45) vor allem auch in Kombination mit der Einführung einer Spartenorganisation, bei der für jede Produktsparte eines Konzerns eine eigene Spartengesellschaft gebildet wird, die den Betrieb unterhält, in dem das jeweilige Produktsegment hergestellt wird.[68]
51
Dies muss indes zunächst dann nicht mit einer Betriebsänderung – und daher nicht mit Beteiligungsrechten nach §§ 111 ff. BetrVG – verbunden sein, wenn lediglich die bisherigen Betriebe neuen Rechtsträgern zugeordnet werden. Gleiches gilt dann, wenn die Spartenorganisation dadurch eingeführt wird, dass – durch Neuzuweisung fachlicher Weisungsrechte (nicht der disziplinarischen!) – eine Matrixorganisation etabliert wird.[69] Denn für das Vorliegen neuer Betriebsstrukturen ist eine abweichende Verteilung des fachlichen Weisungsrechts i.S. einer bloßen Änderung von Berichtslinien nicht ausreichend.[70]
52
Praxistipp:
Eine Beibehaltung der bisherigen Betriebsstrukturen im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn kann in derartigen Fällen durch Vereinbarungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bewirkt werden.[71]
53
Eine Betriebsänderung in Form einer grundlegenden Änderung der Betriebsorganisation und des Betriebszwecks i.S.d. § 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG liegt allerdings vor, wenn bislang spartenübergreifend tätige Betriebe sich infolge der Einführung einer Spartenorganisation nur noch auf ein Produktsegment konzentrieren,[72] also alle anderen Produktsegmente auf andere Betriebe übertragen und ausschließlich dort hergestellt werden.
54
Keine Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG liegt mit der h.M.[73] demgegenüber in dem umgekehrten Fall vor, in dem durch eine Vereinbarung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG eine bereits bestehende reale Spartenorganisation lediglich betriebsverfassungsrechtlich in Form einer Etablierung fiktiver Betriebsstrukturen nachvollzogen wird. Es fehlt dann nämlich an den für eine Betriebsänderung erforderlichen tatsächlich-organisatorischen Änderungen.
f) Einführung von sog. „Toller“-Modellen
55
Keine Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats i.S.d. §§ 111 ff. BetrVG bestehen auch dann, wenn mit der Etablierung von Konzernstrukturen oder in etablierten Konzernstrukturen ein sog. „Toller“-Modell eingeführt wird.[74] Grundlage eines derartigen Modells ist eine konzerninterne Vereinbarung, nach der ein Konzernunternehmen nicht mehr eigenständig operativ am Markt auftritt, sondern nur noch im Auftrag eines anderen Konzernunternehmens produziert (Lohnfertigung)[75] bzw. als Dienstleister agiert.[76] Durch derartige Vereinbarungen ergibt sich zwar eine wirtschaftliche Abhängigkeit der einen von der anderen Konzerngesellschaft. Dennoch bestehen insoweit keine Mitbestimmungsrechte nach §§ 111 ff. BetrVG, sondern es besteht lediglich ein Informationsrecht des Wirtschaftsausschusses nach § 106 BetrVG.
5. Gesellschafterwechsel zur Mitbestimmungsgestaltung
56
Der Gesellschafterwechsel ist auch dann ein rein gesellschaftsrechtlicher und damit – lässt man entsprechende Aufsichtsratsbeschlüsse und Informations- bzw. Beratungsrechte (vgl. oben unter Rn. 7 ff.) einmal unberücksichtigt – nicht mitbestimmter Vorgang, wenn er zu Änderungen des mitbestimmungsrechtlichen Status der Gesellschaft führt.
57
Beispiel:
Dies kann z.B. bei der Ersetzung des Komplementärs einer KG durch eine inländische Kapitalgesellschaft (dann ggf. §§ 4, 5 MitbestG) oder natürliche Person (dann kein Eingreifen der §§ 4, 5 MitbestG) bzw. durch eine ausländische Kapitalgesellschaft (ebenfalls kein Eingreifen von §§ 4, 5 MitbestG) der Fall sein.[77] Derartige Gestaltungen können aber aufgrund mit ihnen verbundener nachteiliger steuerlicher Effekte ggf. ausscheiden.
6. Änderungen des Gesellschaftsvertrags
58
Änderungen des Gesellschaftsvertrags sind in der Regel ebenfalls rein gesellschaftsrechtlicher Natur und unterliegen daher weder Beteiligungsrechten der Arbeitnehmer noch lösen sie solche aus. Das folgt bereits im Umkehrschluss aus §§ 106 Abs. 3 Nr. 9a, 109a BetrVG, 190 ff. UmwG. Dies gilt auch dann, wenn durch Änderung des Gesellschaftsvertrags der Gesellschaftszweck geändert wird.[78]
59
Praxistipp:
Dies gilt richtigerweise schon deshalb, weil Verpflichteter der Beteiligungsrechte nach §§ 111 ff. BetrVG der Rechtsträger des Betriebs ist und nicht die Gesellschafter.[79] Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn der Rechtsträger des Betriebs in Konzernstrukturen eingebunden ist, wie das BAG zutreffend mit Urteil vom 14.4.2015[80] klargestellt hat. Hinzu kommt, dass selbst Beschlüsse der Unternehmensorgane (z.B. Vorstand, Geschäftsführung) über Betriebsänderungen i.S.d. § 111 BetrVG ohne vorherige Beteiligung des zuständigen Betriebsrats gefasst werden können, ohne dass darin eine unzulässige Umsetzung der Betriebsänderung ohne vorgeschriebene Betriebsratsbeteiligung i.S.d. § 113 BetrVG liegt.[81]
7. Formwechsel als Mittel zur Mitbestimmungsgestaltung
60
Ein Formwechsel i.S.d. §§ 190 ff. UmwG als gesetzlich geregelter Spezialfall der Änderung des Gesellschaftsvertrags löst grundsätzlich lediglich nach § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG einen Unterrichtungs- und Beratungsanspruch des Wirtschaftsausschusses hierüber und eine Verpflichtung nach § 194 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 UmwG zur Zuleitung des Entwurfs des Umwandlungsbeschlusses (inklusive arbeitsrechtlicher Angaben)[82] an den zuständigen Betriebsrat[83] aus.
61
Mit ihm kann allerdings eine Gestaltung des Mitbestimmungsregimes auf Unternehmensebene (Wechsel von einer mitbestimmten Rechtsform in eine nicht mitbestimmte Rechtsform und umgekehrt) bzw. – wenn ein Formwechsel von einer öffentlich-rechtlichen in eine privatrechtliche Rechtsform (Privatisierung) erfolgt[84] – auf Betriebsebene verbunden sein (Wechsel vom Personalvertretungs- zum Betriebsverfassungsrecht).[85] Letzteres kann auch bei einem Formwechsel zur SE gelten, weil in diesem Fall – sofern es nicht zu einer abweichenden Vereinbarung (§ 21 SEBG) kommt[86] – kraft Gesetzes ein SE-Betriebsrat zu bilden ist.[87]
1. Kapitel Unternehmensumstrukturierungen und ihre Erscheinungsformen › B. Rein gesellschaftsrechtliche Maßnahmen › II. Zielsetzung: Minimierung gesellschaftsrechtlicher Einflussnahme auf die Umstrukturierung/sonstiger Risiken
II. Zielsetzung: Minimierung gesellschaftsrechtlicher Einflussnahme auf die Umstrukturierung/sonstiger Risiken
62
Risiken können sich bei dieser Gestaltung trotz zahlreicher arbeitsrechtlicher Vorteile allerdings aus sonstigen zu beachtenden rechtlichen Gesichtspunkten ergeben.
1. Beachtung steuerlicher, kartellrechtlicher und regulatorischer Vorgaben
63
Dies sind klassischerweise in erster Linie steuerrechtliche Folgen entsprechender Maßnahmen (hier vor allem negative Auswirkungen auf Verlustvorträge), die unbedingt von vorneherein als ökonomische Grenzen beachtet und in die Planung einbezogen werden müssen.[88] Denn eine arbeitsrechtliche Maßnahme kann sich steuerrechtlich als „Geldvernichtung“[89] darstellen, wenn sie sich als steuerschädliches Modell erweist. Gleiches gilt, wenn der Maßnahme kartellrechtliche oder regulatorische Vorgaben entgegenstehen.[90]
2. Vermeidung gesellschaftsrechtlicher Einflussnahme
64
Einer arbeitsrechtlich neutralen oder zumindest weniger aufwändigen Lösung durch die Wahl gesellschaftsrechtlicher Gestaltungsformen kann zudem vor allem in Unternehmen mit einem größeren, nicht homogenen Gesellschafterkreis eine Grenze gesetzt sein.[91]
65
Beispiel:
Denkbar sind insbesondere (aus sachfremden Motiven) nicht verkaufsbereite Minderheitsgesellschafter, deren gesetzliche oder satzungsrechtliche Sperrminorität die Maßnahme verhindert.[92]
66
Hier muss umgekehrt überlegt werden, ob arbeitsrechtlich aufwendigere, aber gesellschaftsrechtlich nicht zu verhindernde Maßnahmen vorzugswürdig sind. Die Nutzung derartiger, ggf. durch konzernrechtliche Weisungsverhältnisse gestützter Maßnahmen in der Form von Asset Deals[93] setzen selbstverständlich eine Vertrautheit mit den entsprechenden konzern- und gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen voraus (um sicherzustellen, dass mit Blick auf erforderliche Gesellschafterbeschlüsse keine Sperrminoritäten, Stimmbindungsvereinbarungen o.Ä. eingreifen).[94]
67
Praxistipp:
Als Gestaltungsoption ohne Eigentumsübertragung kann sich in diesem Kontext z.B. der Abschluss von Betriebsführungsverträgen anbieten. Differenziert werden muss dabei zwischen echten und unechten Betriebsführungsverträgen.[95] Zum bloßen Austausch von Führungspositionen kann es im Rahmen des Abschlusses eines echten Betriebsführungsvertrags kommen, der arbeitsrechtlich insofern neutral ist, als mit ihm kein Betriebsübergang i.S.d. § 613a BGB verbunden ist. Ein solcher tritt – ähnlich wie bei einer Betriebsverpachtung – allerdings beim Abschluss eines sog. unechten Betriebsführungsvertrags ein, da der Betriebsführer in diesem Fall die betriebliche Leitungsmacht im eigenen Namen ausübt und somit Betriebsinhaber wird.[96] Über den Abschluss eines Betriebsführungsvertrags gleich welcher Art, ist der Wirtschaftsausschuss gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG zu unterrichten. Mitbestimmungsrechte im Sinne der §§ 111 ff. BetrVG werden für den Betriebsrat durch den Abschluss entsprechender Verträge allerdings nicht ausgelöst, soweit mit dem unechten Betriebsführungsvertrag über den Betriebsübergang hinaus nicht auch eine Betriebsspaltung verbunden ist, weil der vom Betriebsführer im eigenen Namen zu führende Betrieb lediglich einen Betriebsteil des Ursprungsbetriebs ist.[97]
3. Hoher gesellschaftsrechtlicher Aufwand für „geringen“ angestrebten arbeitsrechtlichen Effekt
68
Neben „widerspenstigen“ Gesellschaftern kann auch die relativ geringe Größe der Maßnahme für einen Asset Deal streiten. Dies gilt insbesondere bei kleineren Ausgliederungsvorhaben.[98]
69
Beispiel:
In der Praxis kommt dies z.B. im Zusammenhang mit Outsourcing-Maßnahmen, die durch eine Konzentration auf das Kerngeschäft oder steuerliche Vorteile motiviert sind, vor.
4. Negative Auswirkungen auf wirtschaftliche Belastung durch Pensionsverbindlichkeiten bei der Wahl umwandlungsrechtlicher Lösungen
70
Als außerordentlich belastend erweisen sich – vor allem im aktuellen Niedrigzinsumfeld – für viele Unternehmen zudem Versorgungsverbindlichkeiten, deren belastende Wirkung – vor allem mit Blick auf die Anpassungsverpflichtungen nach § 16 BetrAVG – falsch eingeschätzt wurde oder die durch nachträgliche Entwicklungen in der Rechtsprechung (die dann gesetzgeberischer Korrektur bedürfen, vgl. § 16 BetrAVG n.F.) belastender wirken, als ursprünglich angenommen wurde. Das Erreichen des Ziels, diese Belastung durch eine Umstrukturierung zu verringern oder jedenfalls eine Ausweitung zu verhindern, wird maßgeblich dadurch beeinflusst, ob als Gestaltungsform eine umwandlungsrechtliche Lösung oder eine Einzelrechtsnachfolge (Asset Deal) gewählt wird:[99]
– In seinem Urteil vom 11.3.2008[100] hat das BAG für die umwandlungsrechtliche Schaffung einer Rentnergesellschaft angenommen, dass den versorgungspflichtigen Arbeitgeber grundsätzlich die arbeitsvertragliche Nebenpflicht treffe, eine Gesellschaft, auf die Versorgungsverbindlichkeiten ausgegliedert würden, so auszustatten, dass sie nicht nur die laufenden Versorgungsleistungen zahlen könne, sondern auch zu den gesetzlich vorgesehenen Anpassungen in der Lage sei. Vermittelt über die vertragliche Nebenpflicht ist die Entlastungswirkung mit Blick auf Rentenanpassungen (§ 16 BetrAVG) also gering. – In seinem Urteil vom 17.6.2014[101] hat der 3. Senat des BAG aber klargestellt, dass seine Feststellungen im Urteil vom 11.3.2008 zur Betriebsrentenanpassung in einer Rentnergesellschaft nach dem Wirksamwerden einer Ausgliederung gemäß § 123 UmwG nicht verallgemeinerungsfähig sind. Die vom BAG im Urteil vom 11.3.2008 entwickelten Grundsätze gelten nur für die besondere Situation einer durch Spaltung zur Neugründung gemäß § 123 UmwG geschaffenen Rentnergesellschaft. Damit besteht ein nicht unerheblicher Gestaltungsspielraum, der nicht nur in Krisensituationen genutzt, sondern allgemein bei der Gestaltung von Umstrukturierungslösungen bedacht werden muss.[102]71
Beispiel:
Wenn der frühere Arbeitgeber und – spätere – Versorgungsschuldner sein operatives Geschäft z.B. im Wege des Betriebsübergangs an einen Betriebserwerber veräußert, greift die vertragliche Nebenpflicht zur Ausstattung der Rentnergesellschaft nach der Bewertung des BAG nicht ein.[103] Denn die Versorgungsverpflichtungen bleiben bei dem ursprünglichen Versorgungsschuldner. § 613a BGB erfasst schließlich nur bestehende Arbeitsverhältnisse.[104]
Anmerkungen
[1]
Zu den rechtlichen und ökonomischen Implikationen vgl. im Überblick Beck/Klar DB 2007, 2819 ff.
[2]
Vgl. dazu unter Kap. 2 Rn. 327 ff.
[3]
Bauer/Haußmann/Krieger Teil 1 A Rn. 8; Arens/Düwell/Wichert/Düwell § 5 Rn. 13.
[4]
HWK/Willemsen/Lembke BetrVG § 106 Rn. 83; WHSS/Willemsen Rn. B 22.
[5]
Zu den Risiken aus der Gesellschaftersphäre, zu denen auch Mitarbeiter als Gesellschafter zählen können, vgl. unter Rn. 64 ff.
[6]
WHSS/Willemsen Rn. B 7a, H 161; Arens/Düwell/Wichert/Düwell § 5 Rn. 28 (für Organe).
[7]
Vgl. hierzu allgemein z.B. WHSS/Hohenstatt/Seibt Rn. K 20 ff.; spezifisch zu Change-of-Control-Klauseln: WHSS/Hohenstatt/Seibt Rn. K 13 ff.
[8]
Vgl. BAG NZA 1992, 70; BAG NZA 1990, 357; BAG NZA 1986, 783.
[9]
BAG NZA 1991, 649; LAG Baden-Württemberg v. 9.10.2013 – 10 TaBV 2/13 (Rechtsbeschwerde anhängig unter 1 ABR 10/14); dazu Mückl Arbeitsrecht in Krise und Insolvenz, 2. Aufl., Rn. 1286 ff.