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Ich weiß, sie machen die Dinge leichter. Die meisten von uns können sich nicht mal dazu aufraffen, die Geheimzahl für ihre Bankkarte auswendig zu lernen. Und sich mit dem ganzen Politikkram auseinanderzusetzen, dazu haben die Leute noch weniger Lust. Aber bei Parteien weiß man: Republikaner sind normalerweise für weniger Staat, Steuersenkungen und mehr Rechte für die Bundesstaaten, und sie vertreten konservativere Einstellungen, sind beispielsweise gegen Abtreibung, für gute christliche Werte und die Stärkung des klassischen Familienbilds. Die Demokraten sind eher Futuristen, glauben an die Freiheit und daran, dass man auf einander und auf sich selbst achten soll, sie vertrauen auf den stärkenden Einfluss des Staates und wollen Gesetze schaffen, die Freiheiten schützen statt sie zu beschneiden, und sie sind für gleiche Rechte, egal in welchem Bereich. Diese beiden Parteien bestimmen seit Mitte des 19. Jahrhunderts unsere Politik und mussten sich kaum gegen Bedrohungen von außen durchsetzen (auch wenn die Tea Party das jetzt bestimmt nicht gern hören wird); wir sind sie so gewohnt, dass wir sie für selbstverständlich halten. Oder vielleicht sollte ich das anders formulieren: Sie halten uns für selbstverständlich. Sie wissen einfach, dass sie über das meiste Geld und die meisten Werbemöglichkeiten verfügen, und dass wir damit gezwungen sind, für den zu stimmen, den sie ausgewählt haben. Aber inzwischen kann ich bei beiden Parteien keine einzige neue Idee erkennen. Was spielt es also noch für eine Rolle, aus welchem Lager sie stammen? Warum sollte man also nicht mehr auf Sympathie und Charme achten?
Ich sage euch, warum, und das, was bei den Vorwahlen der Demokraten geschah, beweist das auch: Solange die Parteien über Geld verfügen, ist Politik ein Geschäft. Es war völlig offensichtlich, dass das Democratic National Committee Bernie Sanders zugunsten von Hillary Clinton aus dem Weg räumte. Das war höchst unethisch und zudem noch irre peinlich, weil Bernie die große Nummer war. Bernie war meine erste Wahl. Mir war scheißegal, ob er so alt war wie Jesus, mich interessierte nicht, ob er lila anlief, wenn man ihn provozierte, und ich hatte kein Problem damit, dass er früher parteilos war und nur deshalb zu den Demokraten stieß, damit er als Präsident kandidieren konnte. Bernie Sanders ist ein großartiger Typ, der Klartext redet und schon seit Jahren gegen die Verschwendung von Steuergeldern und die Aushöhlung von Bürgerrechten kämpft. Der war echt mein Macker – scheiße, er war für alle die erste Wahl. Das wussten auch die Typen vom Democratic National Committee, und deswegen starteten sie ein paar echt verrückte Aktionen, um ihm ein Bein zu stellen. Es ist noch immer nicht ganz klar, wie viel Clinton II. tatsächlich davon wusste, aber Tatsache ist, dass die Partei dafür verantwortlich war, genau wie den Republikanern vorzuwerfen ist, dass sie Trump mit seinen Hassbotschaften so lange eine Plattform boten und zuließen, dass er bis an die Spitze kam. Diese Parteien glauben, sie wären an sich wichtiger als ihr Kandidat, wer auch immer das ist, und sorry, das ist einfach nur blöd. Ich wähle nicht die Republikaner oder die Demokraten, meine Wahlentscheidung ist beeinflusst von dem, was ich bin, und ich bin ein bisschen von beidem. Und ich bin davon überzeugt, dass es den meisten Amerikanern so geht – die extremen Positionen an den äußeren Rändern spielen gar keine so große Rolle. Damit meine ich gar nicht die Fanatiker, sondern all die anderen Leute, die nicht unbedingt sofort zu irgendeiner Gruppe gehören wollen. Aber so ist Amerika: Hinter verschlossenen Türen fällt jeder seine Entscheidungen entsprechend den Erfahrungen, die er im wahren Leben gemacht hat. Wenn also die Wahlentscheidungen der meisten Amerikaner nicht so klar ausfallen, wieso gibt es dann diese antiquierten politischen Parteien, die von fanatischen Sackgesichtern geführt werden, die dafür Millionengehälter beziehen? Wenn wir schon wissen, dass wir denjenigen wählen, den wir mögen, können wir doch noch einmal ganz von vorn anfangen. Überlegen wir uns doch einfach mal, wie es sein könnte, wenn wir diese zwei abgehangenen Parteien abschaffen würden.
Zurzeit von Reagan und Clinton I. kam tatsächlich schon einmal Bewegung in die alten Lager. Reagan repräsentierte den neuen Konservativen: einen auf Freiheit bedachten Familienmenschen, sauber und ordentlich und bodenständig, in eine Flagge gewickelt wie ein Schwein in eine Decke und etwas wacklig beim Management von Steuerthemen. Clinton I. war genauso, er orientierte sich an einer neuen, demokratischen Parteilinie, dem so genannten Dritten Weg. Damit sollte die Partei wieder stärker zur Mitte finden und konservativer werden, aber gleichzeitig ihre liberale Haltung in Menschenrechtsfragen beibehalten. Dass Politiker ihre Standpunkte verschieben oder ändern, das hat es immer schon einmal gegeben. Aber meiner Meinung nach brauchen wir diese ganze Scheiße nicht. Wir brauchen ein völlig neues Regelwerk. Wollt ihr, dass wir zu der Zeit zurückfinden, in der man bei der Regierungsarbeit noch das Motto „aus dem Volk, für das Volk und durch das Volk“ beherzigte? Dann, liebe Freunde, habe ich einen Vorschlag für euch. Passt gut auf, denn ich erzähle das alles nur einmal. Es mag ein bisschen verrückt klingen, aber es ist ja nur ein schmaler Grat zwischen verrückt und kreativ, auch wenn die Entwickler solcher Ideen dann oft an der Praxis scheitern. Aber ich habe eine Idee und eine Lösung.
Zwischen den Präsidentschaftswahlen liegen vier Jahre. Das bedeutet, wir haben vier Jahre Zeit, um nach einer besseren Option zur Regierungsführung zu suchen. Mein Vorschlag wäre, dass wir in diesen vier Jahren im ganzen Land – an jeder Küste, in jedem Staat, jeder Stadt, jedem Vorort – nach Menschen Ausschau halten, die bereit sind, gegeneinander anzutreten. Wir stellen Gruppen von Kandidaten zusammen und lassen über das Internet und im Fernsehen darüber abstimmen, wen wir wirklich mögen. Im Laufe der Zeit werden immer mehr Leute „herausgewählt“, bis nur noch zehn übrig sind. Diese zehn machen ein Jahr lang „Wahlkampf“, an dessen Ende die „große Auswahl“ steht. So ganz ähnlich wie in diesen beschissenen Fernsehshows, die mir das Fernsehen und die Musik inzwischen gleichermaßen verleidet haben. Und am Ende lassen wir Amerika per SMS darüber abstimmen (das ist meiner Meinung genauso verlässlich wie die Stimmzettelabgabe in der Wahlkabine), welche zwei ihnen am besten gefallen. Damit ist das Rennen eröffnet. Anschließend reisen diese beiden vom Volk nominierten Kandidaten sechzig Tage lang Seite an Seite durch das ganze Land, diskutieren, reden und beantworten Fragen. Dann wird gewählt, und wer die meisten Stimmen bekommt, wird die nächsten vier Jahre Präsident. Aber der Trick bei der Sache ist: Es gibt keine Verlierer, denn derjenige, der nicht gewinnt, wird Vizepräsident. Die acht anderen aus der letzten Runde werden Teil des Kabinetts, und alle anderen zuvor Beteiligten werden Sonderbeauftragte für ihre Bundesstaaten in beiden Häusern des Kongresses, im Senat und im Repräsentantenhaus. Ihre Aufgabe wird es sein, die Berufspolitiker an den Willen des Volkes zu erinnern, für dessen Durchsetzung sie überhaupt in diesem Gremium sitzen. Eine wirklich demokratische Regierung sollte nie vergessen, dass die Bevölkerung, die sie vertritt, sie in jedem Augenblick abberufen kann.
Ich kann mir schon vorstellen, wie mich die Sozialen Medien für solche Ideen grillen werden. „Pah, was für ein Scheiß“, wird es heißen, „der saubere Herr Taylor hat null Ahnung, wie ein wirklich demokratischer Prozess abläuft. Ein derart verdorbenes System würde heutzutage nie funktionieren, sondern schon allein wegen der albernen Vorgehensweise zum Scheitern verdammt sein.“ Meine Antwort würde natürlich lauten: Wieso? Was macht die aktuelle Auswahlmethode so viel besser als die, die ich gerade präsentiert habe? Wir haben doch gerade gesehen, dass das Democratic National Committee bei der eigenen Kandidatenkür Scheiße gebaut hat, und ich würde mit ziemlicher Sicherheit behaupten, dass es der republikanischen Konkurrenz heute noch leid tut, diese Arschkanone Trump jemals ernst genommen zu haben. Sie haben nichts anderes gemacht, als nach der etablierten Vorgehensweise „die Besten aus unserem Zweiparteiensystem“ zu ermitteln. Jetzt kann man zu den beiden stehen, wie man will, sie wurden jedenfalls allgemein als die schlimmsten Kandidaten für die Präsidentschaftswahl seit Gottweißwielange betrachtet (gebräuchliche Zeiteinheit im zirkulären Maya-Kalender, bezieht sich hier auf „das letzte Mal, dass die Weißen den Eindruck machten, als hätten sie den richtigen Durchblick“).
Das wäre jedenfalls mein Vorschlag für die Lösung des ganzen Präsidentschafts-Fiaskos. Ich weiß schon, was die meisten von euch dazu sagen werden: „Ey, Arschgesicht, bleib bloß beim Singen und überlass die Politik den Profis.“ Oder: „Es kotzt mich nichts so sehr an wie diese Typen aus der Unterhaltungsbranche, die keine Ahnung von Politik haben, aber dauernd davon quatschen.“ Ich antworte dann meistens: „Du hast da gerade den Typen beschrieben, den du höchstwahrscheinlich gewählt hast, du hinterwäldlerische Muschibürste.“ Aber ihr kennt mich ja: Ich hasse Irritationen auf geistiger Ebene. Außerdem hasse ich Leute, die meinen, weil ich ein bisschen Erfolg hatte und sogar etwas Geld verdient habe, hätte ich plötzlich jede Art von Überblick über die Politik in meinem Land verloren und kein Recht mehr, darüber zu reden. Das ist eine echte Scheiß-Reaktion auf eine Meinung, mit der man nicht übereinstimmt, und mich kotzt es echt an, dass so viele Leute damit durchkommen. Das sind normalerweise dieselben, die damit rumgeprotzt haben, dass sie vor „den Wahllokalen gelauert haben, um alle einzuschüchtern, die nicht für Trump stimmen wollten“. Ist denn das zu glauben – im Jahr 2016 gibt es Amerikaner, die meinen, sie müssten zu Taktiken greifen, die in den 1920er-Jahren von den Nazi-Braunhemden etabliert wurden? Mich beruhigt lediglich, dass es dagegen auch reichlich Widerstand gab und gibt. Die Menschen in Amerika haben die Schnauze voll davon, sich bedrohen zu lassen, und schlagen jetzt zurück.
Reagan hätte all das auch nicht gefallen. Von all den republikanischen Präsidenten, die ich bisher erlebt habe, war keiner so nahe bei den Menschen wie er. Er hatte begriffen, dass man ein Land nicht regieren kann, indem man die Bevölkerung auseinanderdividiert – es läuft alles nur dann, wenn man die Menschen zusammenbringt und dafür sorgt, dass sie auch miteinander auskommen. Deswegen bekennen sich die erfolgreichsten Politiker weder zum linken noch zum rechten Lager, sondern arbeiten mit der Mitte. Da spielt sich das Leben nun mal ab. Klar, natürlich gibt es auch bei uns Ärsche mit extremen Positionen, die nicht mehr wissen, wo der Hammer hängt, aber die Mehrheit kommt eben doch in der Mitte des Spektrums zusammen, wo sich die guten Ideen von beiden Seiten treffen und verbinden. Erfolgreiche Politiker wissen: Um die Massen zu begeistern, muss man die „Hits“ präsentieren – rhetorische Ideale, grundsätzliche Anziehungskraft und eine einfache Botschaft. Wenn man den Einzelnen erreichen will, die Leute mit ihren persönlichen Sorgen und Nöten, dann pendelt man sich besser irgendwo in der Mitte ein, denn letztlich ist das der Ort, an dem wir uns alle wiederfinden. Am Ende verbindet uns doch viel mehr, als uns trennt, auch wenn man das vielleicht anders sieht, wenn man gerade seine Band auflösen möchte. Wir neigen wohl alle zu Extremen, aber die beziehen sich nicht ausschließlich auf Schlagworte wie Hass und Rassenideologie, Steuergesetzgebung, konservativ oder progressiv, Friedensstifter oder Kriegstreiber und dergleichen, manchmal bestehen Extreme auch nur aus extrem viel Lust auf Chocolate Fudge Ice Cream.
Reagan hatte das besser begriffen als alle anderen. Er verstand sich hervorragend darauf, das ganze Arsenal des Republikanerstolzes, Waffen, Gott und Fahnentreue, zu beschwören, eine Menge richtig aufzustacheln und dafür zu begeistern, ihr Kreuz bei seiner Partei zu machen. Aber anschließend konnte er sich umdrehen und mit den Demokraten diskutieren, irgendein gemeinsames Thema finden, ihren Standpunkt nachvollziehen und das alles in seine Politik einfließen lassen, um dann einen ursprünglich konservativen Standpunkt durch liberale Ideen zu ergänzen und einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der plötzlich ganz und gar der Mitte entsprach. Deswegen konnte er beispielsweise mit Tip O’Neill arbeiten, dem damaligen Fraktionsvorsitzenden der Demokraten im Senat. Das Zauberwort lautete, wie der alte Dutch eben genau wusste, Kompromisse eingehen. Das war von Anfang an die Grundlage für jede brauchbare amerikanische Politik. Natürlich sagen einige von euch gleich wieder, Quatsch mit Soße, aber es stimmt. Das ist natürlich ein langsamerer Prozess, aber auf diese Weise wird tatsächlich der Wille des Volkes umgesetzt. Das dauert eben so lange, gerade weil es der Wille des Volkes ist, und den kann man nicht so auf die Schnelle definieren. Man könnte es wohl auch den Willen des Zeitgeists nennen. Wir sind eben manchmal ein Volk von Egomanen und Idioten, und deswegen braucht es seine Zeit, bis man in dem ganzen Müll die Diamanten findet.
Inzwischen schreiben wir 2017, und noch immer bestimmt der Geist von Ronald Reagan das Bild dessen, was sich die Stammtisch-Republikaner für ihre Partei wünschen: ein wissendes Lächeln, volles Haar, ein kantiges Kinn, das gut zu klarer Kante bei Verhandlungen passt – die Konservativen hatten immer die beste Image-Vorlage zu bieten. Bei den Liberalen ist es wesentlich schwerer, die Ideale und Ideen postergerecht aufzuarbeiten. Die Konservativen hingegen wissen, welche Soße ihren Quatsch am besten zudeckt. Deswegen halten sie Reagan auch immer noch so hoch: Er sah halt aus wie ihr perfekter Anführer. Leider kann man das vom aktuellen Personal überhaupt nicht sagen. Die Rechten haben inzwischen nur noch Leute in ihren Reihen, die den Eindruck erwecken, als würden sie sich in ihren Reihen als Zeitarbeiter verdingen, weil sie beim Ku-Klux Klan nichts geworden sind: kein bisschen Charme, kein bisschen Hintergrundwissen oder Allgemeinbildung, aber jede Menge sturer Dummheit, wie sie sich eben daraus speist, wenn man immer glaubt, im Recht zu sein, und sich weigert, sich auch mal mit Fakten, Zahlen oder zwangsläufigen Entwicklungen zu beschäftigen. Das sage ich nicht nur, weil ich mit dem, was diese Typen sagen, zum größten Teil nichts anfangen kann – sie sind einfach so VERDAMMT EINGEBILDET, dass sie glauben, wenn sie nur lange genug große Töne spucken, würden die anderen irgendwann genervt nachgeben, und sie bekämen ihren Willen. Aber das klappt jetzt nicht mehr so. Die Leute haben keinen Bock mehr auf eine solche Einschüchterungstaktik. Sie haben keinen Bock mehr darauf, dass man sie mit einer vergifteten Politik ausknockt, die zwar so tut, als wäre sie das Sprachrohr des arbeitenden Durchschnittsbürgers, dabei aber nur einem einzigen Prozent der Bevölkerung einen Vorteil bringt.
Ja, die Republikaner haben wirklich lange nach dem größten Ding seit Onkel Ronnie gesucht. Mit Romney klappte es leider nicht, obwohl er zumindest optisch für die Rolle gut geeignet schien (auch wenn er auf mich persönlich immer eher wie ein Schurke aus einem James-Bond-Film wirkte). McCain und Dole waren einfach ein bisschen zu alt, und George Bush Junior hatte zwar den Charme (deswegen wurde er wahrscheinlich auch zweimal gewählt), aber weder den Respekt noch die Stärke der alten Schule. Mit jedem Jahrzehnt, das vergeht, werden die Republikaner verzweifelter. Was man ja zum Beispiel daran sieht, dass sich jemand durchgesetzt hat wie Mike Pence, der verbissene Ex-Gouverneur von Indiana und jetzige Vizepräsident, der für die Kürzung von Staatsausgaben und für die Konversionstherapie eintritt – ihr wisst schon, diese von Evangelikalen gepriesene Methode, jungen Homosexuellen zu „helfen“, indem man sie solange foltert, bis sie ihre sexuelle Identität aufgeben, bloß, damit es nicht mehr wehtut. Klingt super, oder? Das zeigt ja wohl schon, wie tief man inzwischen buddeln muss, wenn so ein Typ als ernsthafter Kandidat fürs Vizepräsidentenamt infrage kommt. Damit lebt man nicht einmal mehr auf derselben Hemisphäre wie die republikanische Partei der Achtzigerjahre. So, wie es aussieht, werden Gerichtsurteile jetzt nach dem eigenen Geschmack gefällt – das ist ein bisschen so, als würde man eine Riesenstatue der Bibel vorm Gericht aufstellen und trotzdem so tun, als gäbe es keine Vorbehalte gegen Leute, die nicht an den Christengott glauben.
Ich muss mich echt zusammenreißen, hier nicht wirklich sauer zu werden. Immerhin soll dieses Buch ja nicht nur eine spannende Botschaft enthalten, sondern auch humorvoll sein. Bisher habe ich noch nicht allzu viel gesagt, worüber ihr hättet lachen können, aber noch hatte ich ja auch kein lustiges Thema. Damit lasse ich mir noch ein bisschen Zeit; ich bin der Meinung, ein paar Witze machen kann man immer noch, wenn man seinen Standpunkt klar gemacht hat. Okay, Moment mal, was wollte ich in diesem Kapitel überhaupt noch mal erklären? Angefangen habe ich mit den Superhelden, dann kam Ronald Reagan und der Untergang politischer Idole … Johnny Thunders sang einmal: „You can’t put your arms around a memory“, und ich denke, das war’s, was ich eigentlich sagen wollte. Denn genau darin besteht das große Problem der Republikaner: Sie kämpfen seit fast vierzig Jahren mit einem Geist, der die Kraft einer riesigen Boa Constrictor besitzt. Reagan war für sie ein echtes Geschenk, weil er zur damaligen Zeit so hervorragend funktionierte. Er spiegelte perfekt, welches Bild Amerika damals von sich selbst haben und auch langfristig beibehalten wollte. Nur hat sich seitdem in seiner Partei kaum noch etwas getan, was Entwicklung oder Diversität angeht. Wenn es mal wieder Zeit für die Entgegnung zur Regierungserklärung ist, holen sie ihre Vorzeige-Minderheiten raus oder suchen sich irgendeinen neuen Blödsinn, den sie Menschen anderer ethnischer Herkunft vorwerfen können. Als Partei haben die Republikaner genau deswegen stagniert, weil sie nur einen sehr eingeschränkten Teil der Bevölkerung repräsentieren. Okay, sie haben das Weiße Haus erobert (wenn auch nur knapp), aber so entwickelt sich keine Politik. Deswegen haben die Demokraten als erste einen schwarzen Präsidenten ins Rennen geschickt – weil das viel mehr dem entspricht, was Amerika heute ist und sein möchte. Wie kann es sein, dass die Partei, die einst die Sklavenbefreiung durchsetzte, die Menschen heute wieder wie Sklaven behandelt?
Vielleicht liegt es daran, dass ich ein unerschütterlicher Optimist bin, aber ich habe ja das Gefühl, der Zusammenbruch der GOP könnte auch sein Gutes haben. Natürlich, zunächst einmal muss das jedem, der sich für einen echten Republikaner hält, geprägt von einem Amerika der Freiheit und der Pancakes und all sowas, als eine Katastrophe erscheinen. Diese Prägung hat allerdings mit den Republikanern gar nichts zu tun, damit ist man einfach nur amerikanisch, wenn auch vielleicht von einer bestimmten Art. Die Rechten haben diesen Scheiß immer benutzt, um Menschen an sich zu binden, obwohl sie selbst sich schon seit Jahren nicht mehr damit identifizieren, falls sie das überhaupt jemals taten. Wie ich schon sagte: Wenn man sich mal die Schmutzwäsche der Republikaner vornähme, wäre kein einziger Blaumann dabei, dafür jede Menge Schlipse und Kragen, dreckiger als bei jeder anderen Partei auf dem ganzen Planeten. Von daher ist es schon völlig in Ordnung, dass ihr Lügengebäude jetzt in sich zusammengefallen ist. Aus der Asche kann vielleicht etwas erwachsen, das ehrlicher, ehrgeiziger und anständiger daherkommt und sich, wie wir uns das alle wünschen, mehr an der Mitte orientiert. Vielleicht eine Rückbesinnung auf die Anfänge: Freiheit für alle, unabhängig von Hautfarbe, Religion, Geschlecht oder Geschichte. Vielleicht genügt auch schon die Rückbesinnung auf die Zeit vor drei, vier Jahrzehnten: Unterstützung für alle, die selbst etwas auf die Beine stellen wollen, Hilfe für unabhängige Unternehmen und Geld für die Gemeinden vor Ort. Vielleicht halten sie dann auch mal die Religion aus der Gesetzgebung raus. Und sie verzichten auf ihre unglaublich antiquierten Ansichten … oder, noch besser, sie hören mal zu! Und kriegen mit, warum diese Vorurteile unvertretbar und nicht mehr gewollt sind. Wieso die Welt es sich nicht mehr leisten kann, so zu denken und so zu leben. Bei Menschen aller Hautfarben findet man wunderbare Leute und Arschlöcher gleichermaßen. Zu behaupten, dass nur ein einziger Teint das Wahre ist, das ist einfach lächerlich.
Ihr Konservativen könnt doch nicht so blind gegenüber der eigenen Entwicklung sein. Ihr entsprecht jedem Klischee aus Footloose. Das kann euch doch nicht entgangen sein. Deswegen sprecht ihr auch nur noch Menschen mit einer einzigen Hautfarbe an, die Weißen, und so ziemlich der ganze Rest hält euch für unwählbar. Das war euch früher egal, denn früher waren die Weißen ja die einzigen, die von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben. Als sich das änderte, wart ihr ganz schnell dabei, die Wahlgesetzgebung zu ändern und die Grenzen der Wahlbezirke neu zu ziehen, damit ihr nicht an Macht verliert. Aber das klappt jetzt nicht mehr. Jetzt haben die Leute gemerkt, welch ein Spiel ihr spielt. Jetzt werden eure alten Gesetze gekippt, weil sie – ÜBERRASCHUNG! – nicht der Verfassung entsprechen. Jetzt strömen die Wähler plötzlich in Scharen an die Urnen, hauptsächlich, weil ihr zugelassen habt, dass ein verdammter Schwachkopf für euch antritt, aber auch, weil es jahrelang immer nach eurer Nase gegangen ist und ihr dafür gesorgt habt, dass alle anderen die Arschkarte ziehen. Jetzt bleiben die Leute nicht länger stumm. Nein, sie schreien laut, und sie schreien euch an. Eure Partei liegt in Trümmern, und es wäre an der Zeit, die Lage wieder in den Griff zu bekommen. Wenn ihr in Zukunft auch nur irgendwas Gutes für das amerikanische Volk tun wollt, dann dürft ihr nicht vergessen, dass das amerikanische Volk AUS EINEM HAUFEN VERSCHIEDENER MENSCHEN besteht. Wenn ihr das nicht in eure Köpfe bekommt, dann müssen diese Köpfe wohl mal rollen!
Aber ich gebe die Hoffnung noch nicht auf. Ich bin im Mittleren Westen aufgewachsen, und daher steckt auch ein kleiner Konservativer in mir, obwohl ich gleichzeitig erkannt habe, dass ein bisschen Sozialhilfe nicht schlecht ist, um Menschen dabei zu helfen, wieder auf die Beine zu kommen. Immerhin ist mir das auch selbst so gegangen. Ich bin mit Lebensmittelmarken und den kostenlosen Käserationen der Reagan-Ära großgeworden. Ich profitierte von den Schulküchen und Sponsorenprogrammen, bei denen reiche Leute mit Kindern Ausflüge machen und ihnen Geschenke kaufen. Ich kenne die andere Seite – und ich weiß, dass es da nicht nur Sozialschmarotzer und Leistungsverweigerer gibt. Die Leute an den Schaltstellen lieben solche verallgemeinernden Ausdrücke, weil man dann nicht mehr den Menschen und das Menschliche hinter solchen Hilfsprogrammen sieht. Ich zähle nicht zu den Leuten, die glauben, man könne auf einem freien Markt und in einer kapitalistischen Nation eine total kostenlose Gesundheitsversorgung anbieten. Aber ich denke auch, dass es keinen guten Grund gibt, um nicht trotzdem Hilfsprogramme für Menschen in Not anzubieten. So etwas muss man natürlich genau im Blick behalten, damit kein Missbrauch damit getrieben werden kann. Aber wir sind doch in der Lage, Mitgefühl und Freundlichkeit zu empfinden, gerade gegenüber Menschen aus unserer Mitte, die in Not geraten sind. Manchmal vergessen wir wohl, dass es hier darum geht, anderen Amerikanern zu helfen. Reagan wäre sicher ganz meiner Meinung, dass man sich um die eigenen Leute kümmern muss und nicht alle Energie darauf verwenden sollte, einen Keil in die Gesellschaft zu treiben. Schmerzen empfindet jeder von uns gleichermaßen, da gibt es keine Ausnahmen. Und da können wir entweder helfen oder uns abwenden. Eine andere Möglichkeit sehe ich nicht.
Onkel Ronnie hätte das nicht gewollt. Ich weiß nicht, was er über Trump an der Spitze seiner Partei gedacht hätte, aber er hätte es nicht gut gefunden, Teilen des amerikanischen Volkes die kalte Schulter zu zeigen. Letzten Endes war er doch durch und durch ein überzeugter Amerikaner. Er war nicht der Held, den wir uns zeitweise gewünscht hatten, aber dennoch hat er heute den Status einer Legende: Er streckte uns die Hand hin, damit wir wieder aufstanden, und gab uns dann einen ordentlichen Anschiss, damit wir uns weniger leidtaten. Das war nicht leicht. Ich könnte mir vorstellen, dass wir jetzt gern wieder jemanden hätten, der das tut. Reagan ist schon lange abgetreten, Trump kann so etwas nicht, und auch sonst ist niemand mehr da. Aber ich halte weiter unverdrossen Ausschau nach einem Silberstreif am Horizont. Vielleicht mögt ihr mich ja begleiten.