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2.15 Cholinerge Rezeptoren
Bzgl. der Expression cholinerger Rezeptoren sind ebenfalls typische, läsionale Besonderheiten bekannt. H. Kurzen et al. (2011) berichten, dass bei der Psoriasis guttata die cholinergen Rezeptoren α9-nAChR (nAChR s. 3.4.1) und M3-mAChR (mAChR s. 3.4.2) nicht in der Basalschicht der Epidermis, sondern im oberen Stratum spinosum exprimiert werden. Gleichzeitig ist die Cholin-Acetyltransferase (ChaT, s. 3.1), die in der gesunden Haut auf das Stratum basale begrenzt ist und dort die Acetylcholin-Synthese ermöglicht, bei der Psoriasis guttata im Stratum spinosum und darüber zu finden [66]. Bei der Psoriasis guttata findet eine Verschiebung der cholinergen Rezeptoren und der ACh-Synthese von den basalen Zellen in das Stratum spinosum statt [66, 67].
Für die Psoriasis pustulosa palmoplantaris (PPP), die deutlich mit Rauchen korreliert ist, konnte E. Hagforsen (2001) eine abnorme dermale und epidermale Verteilung der cholinergen Rezeptoren α7-nAChR und α3ß2-nAChR (nAChR s. 3.4.1) nachweisen [68: S. 40-41]. Während α7-nAChR in der gesunden Epidermis vor allem im Stratum granulosum vorkommen, findet sich bei der PPP eine fischnetzartige Verteilung dieses Rezeptors in der gesamten Epidermis und seine vermehrte Expression auf Endothelzellen. Die α3ß2-nAChR, die in gesunder Haut nur schwach exprimiert werden, sind in der PPP besonders im oberen Stratum spinosum und auf läsionalen dermalen wie epidermalen PMN ausgeprägt vorhanden [68: S. 40-41].
2.16 Pattern Recognition Receptors
Keratinozyten sichern die Barrierefunktion der Haut und bedienen sich obligat und ununterbrochen des Immunsystems, um schädigende Einflüsse schnell identifizieren und eliminieren zu können. KC exprimieren zu diesem Zweck sogenannte Pattern Recognition Receptors (PRRs) über die PAMP und DAMP-Erkennung möglich wird [69: S. 130-131]. Zu den PRRs gehören u.a. Toll-Like Rezeptoren (TLRs), Scavenger- und Lektin-Rezeptoren, die als membranständige oder intrazelluläre Rezeptoren vorkommen. Wenn PRRs Pathogene oder Gefahrensignale erkennen, führen sie zur Aktivierung unterschiedlicher Abwehrmechanismen. TLR aktivieren u.a. den Transkriptionsfaktor NF-κB [70], führen im Gros zur Freisetzung inflammatorischer Zytokine wie z.B. TNFα, IL-1, IL-6 und IL-8 [71] und aktivieren die adaptive Immunantwort z.B. durch Hochregulierung costimulierender Moleküle wie CD80/86 [71].
TLR1, TLR2, TLR4 und TLR5 werden von KC konstitutiv exprimiert [72]. In psoriatischen KC der unbefallenen Haut und mehr noch der befallenen Haut sind TLR1 und TLR2 hochreguliert [73-75]. TLR1 erkennt bakterielle Lipopeptide und wird in der psoriatischen Haut nukleär exprimiert, während er in der gesunden Epidermis zytosolisch/transmembran vorkommt [76: S. 33 Zeile 18-19]. TLR4 erkennt das von gramnegativen Bakterien freigesetzte Endotoxin Lipopolysaccharid (LPS), TLR2 erkennt u.a. den grampositiven Streptococcus pyogenes [77] und beide, aber besonders TLR4, erkennen Hitzeschockproteine (HSP), die bei zellulärer Verletzung in das Interstitium gelangen und dort als sog. „Alarmine“ auf Gewebeschäden aufmerksam machen. R. L. Smith et al. (2016) konnten kürzlich zeigen [78], dass PsV, PsA und die progressive systemische Sklerodermie (PSS) signifikant mit einer funktionellen misssense-Variante des TLR4 assoziiert sind. Durch die vermehrte Expression von TLR auch in nichtläsionaler Epidermis führt die psoriatische Haut ein verstärktes Pathogen-Monitoring durch und hat konstitutionell eine erhöhte Entzündungsbereitschaft.
2.17 Antimikrobielle Peptide
Antimikrobielle Peptide (AMPs) sind kleine, kationische amphiphile Peptide mit breiter mikrobizider Wirksamkeit und bilden die vorderste Verteidigungslinie gegen Infektionen [79]. Sie werden in der Haut von KC, PMN, Mastzellen (MC) und Mφ gebildet [80] und dienen nicht nur der mikrobiellen Keimtötung, sondern auch der Aktivierung der angeborenen [81-83] und adaptiven Immunantwort. Die adaptive Immunantwort kann von manchen AMPs durch Hochregulierung costimulierender Moleküle (CD40, CD80/86) antigenpräsentierender Zellen (APC) induziert werden [84].
Psoriatische KC, auch nichtläsionale, produzieren konstitutiv vermehrt AMPs, wie z.B. Psoriasin. Läsional werden u.a. die AMPs Cathelicidin (CAMP) [85, 86: S. 72] und ß-Defensin-2 (BD2) vermehrt exprimiert, wobei eine erhöhte Serumkonzentration von BD2 spezifisch für Psoriasis ist und mit der Krankheitsaktivität bzw. dem PASI korreliert [87]. BD2 wurde daher bereits als ein Kandidat zur objektivierten PASI-Bestimmung vorgeschlagen [87]. Es entfaltet seine antimikrobielle Wirkung durch Destabilisierung der Zellmembran Gram-positiver und Gram-negativer Bakterien und besitzt zudem fungizide und antivirale Wirkung [88]. Die AMP-Produktion der KC wird durch Barriereverletzungen [89] und durch inflammatorische Zytokine wie IL-1ß, IL-12, IL-17A, IL-22, IL-23 und TNFα gesteigert [90-92]. Dadurch führt eine Entzündung stets zu einer ansteigenden AMP-Expression, die ihrerseits wieder potentiell entzündungsfördernd wirkt. Die psoriatische Haut hat durch den erhöhten AMP-Gehalt konstitutionell eine gute antimikrobielle Abwehrlage, aber auch eine erhöhte inflammatorische Reaktivität.
2.18 Zytokine, Th17-Zellen
Psoriasis ist nicht zu trennen vom Auftreten bestimmter, charakteristischer Zytokine. Es folgt eine jeweils kurze und den aktuellen Forschungsstand rekapitulierende Besprechung einiger dieser Zytokine (zu IL-8 s. 2.3).
2.18.1 VEGF/VEGFR
Im Zusammenhang mit der papillären, entzündlichen Angiogenese wurde bereits auf den wichtigsten angiogenetischen Faktor, VEGF, hingewiesen (s. 2.2). VEGF führt jedoch nicht nur zu Angioneogenese und Proliferation von Blut- und Lymphgefäßen, sondern bewirkt auch eine Steigerung der Gefäßpermeabilitat und Expression vaskulärer Adhäsionsmoleküle. Unabhängig von den vaskulären Wirkungen trägt VEGF zur Inflammation bei [93] und induziert Proliferation und Migration von KC [94].
Quellen für VEGF sind neben Endothelzellen (EC) u.a. auch Mφ, Monozyten, Lymphozyten, Thrombozyten und KC [95], und eine VEGF-Expression wird u.a. durch Hypoxie, TGF-α [96], CXCL-8 (IL-8) [12], IL-17, PDGF [97] und TNFα ausgelöst [17]. EC exprimieren VEGF autokrin auch unter nicht pathologischen Bedingungen: sie benötigen die autokrine Stimulation für ihr Überleben [98].
KC gehören im Zusammenhang mit Wundheilungsprozessen zu den Zielzellen von VEGF und exprimieren dementsprechend konstititiv VEGF-Rezeptoren (VEGFR-1, VEGFR-2) [99]. Psoriatische, läsionale wie nicht läsionale KC überexprimieren VEGFR-1/-2. Während in gesunder Haut diese VEGFR nur im Bereich des Stratum basale und in suprabasalen KC nachgewiesen werden, exprimieren psoriatische KC VEGFR-1/-2 in allen Schichten der Epidermis. In nichtläsionaler psoriatischer Haut fehlen diese VEGFR lediglich im Stratum corneum, während in läsionaler Haut VEGFR-1/-2 auch im parakeratotischen Stratum corneum vorhanden sind [100]. Für die Expression von VEGFR-1/-2 gilt: normale Haut < nicht läsionale psoriatische Haut < periläsionale < läsionale psoriatische Haut [100]. Psoriatische KC halten durch autokrine VEGF-Stimulation ihre VEGF-Rezeptorexpression aufrecht [100, 101].

Abbildung 2: VEGFR-Expression in gesunder, unbefallener und läsionaler Haut
VEGF ist bei Psoriasis-Erkrankten auch im Blutserum erhöht, und die VEGF-Serumkonzentration korreliert mit der Schwere der Erkrankung [17].
2.18.2 TGF-ß1
TGF-ß ist ein multipotenter Wachstumsfaktor und kommt in den drei Isoformen TGF-ß1, 2 und 3 vor. Er wird von den meisten Zellen exprimiert und als Teil eines „Large Latent Complex“ (LLC) in inaktiver Form in den Extrazellulärraum sezerniert, wo er nichtkovalent an Matrixproteine gebundene Depots bildet. Unter nichtpathologischen Bedingungen hemmt TGF-ß u.a. epitheliale Zellproliferation, reguliert Zelldifferenzierung und Zellwachstum. Freies TGF-ß1 hat in gesunder Haut eine sehr kurze Halbwertzeit, und ist daher in gesunder Haut kaum nachzuweisen [102]. Im Gegensatz zu gesunder oder nicht befallener Haut, die im Stratum basale eine ausgeprägte Expression der TGF-ß-Rezeptoren zeigt, lassen sich in der läsionalen Epidermis kaum TGF-ß-Rezeptoren nachweisen [103]. Gleichzeitig sind TGF-ß2 und -ß3 in der psoriatischen Haut im Gegenatz zu gesunder Haut abwesend [104]. TGF-ß1, in gesunder Haut kaum nachweisbar, ist in der läsionalen, psoriatischen Haut überexprimiert [105] und die TGF-ß1-Serumkonzentration korreliert mit der Schwere der Erkrankung [106], [107].
2.18.3 TNFα, IL-17A, IL-22, IL-23
TNFα
TNFα ist ein inflammatorisches Zytokin, das in der Haut von Mφ, KC [108], Langerhanszellen (LC), MC, aktivierten Lymphozyten und EC gebildet werden kann [109: S. 76-77], und u.a. die Zytotoxizität von Mφ steigert. TNFα wird in den psoriatischen Läsionen intraepidermal sowie in den perivaskulären Bereichen der oberen Dermis gesteigert exprimiert. Gelangt TNFα im Rahmen einer lokalen Überproduktion oder bei septischer Streuung in die Blutzirkulation, kann es zu Allgemeinreaktionen von Fieber bis zur Schocksymptomatik kommen. Bei aktiver Psoriasis lassen sich erhöhte TNFα-Blutserumspiegel nachweisen [109: S. 76-77], wodurch die gravierende systemische Relevanz der Psoriasis deutlich wird.
IL-17A
IL-17A wird von Th17-Zellen nach Stimulation durch IL-23 (s.u.) freigesetzt, es kann aber auch in großem Umfang von PMN [110, 111: S. 30] und Mφ [112] produziert werden. Es ist ein zentrales Zytokin für die Koordination von Immunreaktionen und dient in der Haut wesentlich der Abwehr von Mykosen und bakteriellen Infektionen. IL-17 wirkt am IL-17A-Rezeptor (IL-17R), der von Epithelzellen (EC, KC), Fibroblasten, glatten Muskelzellen, PMN, Eosinophilen und Lymphozyten exprimiert wird. Es induziert dort die Sekretion proinflammatorischer Zytokine und Peptide wie VEGF, IL-6, CXCL-8 (IL-8), GM-CSF und AMPs [111: S. 14-15, 113: S. 11-13]. M. Fischer-Stabauer konnte 2015 in seiner interessanten Dissertation nachweisen, dass das in Psoriasisläsionen chronisch erhöhte IL-17A aus einem Mischinfiltrat von Th17-Zellen und PMN stammt. IL-17A ist intraläsional und im Blutserum von Psoriasispatienten deutlich erhöht [114, 115].
IL-22
IL-22 wird von DC und T-Zellen freigesetzt und aktiviert das angeborene Immunsystem zur Abwehr bakterieller Infekte. In der Haut zielt IL-22 hauptsächlich auf die Aktivierung von KC ab [116: S. 71], in denen es eine verstärkte Freisetzung von AMPs und Granulozyten aktivierender Zytokine auslöst. IL-22 bewirkt z.B. die Induktion der mRNA-Expression von BD2 (s. 2.17) [117]. Quelle der gesteigerten IL-22-Produktion in Psoriasis-Läsionen sind aktivierte Th1-, Th17- und Th22-Zellen [116: S. 15 2. Absatz, 118], wobei interessanterweise wahrscheinlich Th1-Zellen die Hauptquelle des läsionalen IL-22 sind [119]. IL-22 ist intraläsional und im Blutserum von Psoriasis-Erkrankten deutlich erhöht, und die Schwere der Erkrankung korreliert mit dem IL-22-Serumspiegel [120, 121].
IL-23
IL-23 ist der wichtigste Überlebens- und Wachstumsfaktor für Th17-Zellen, dessen physiologische Aufgabe in spezifischer Hilfestellung bei der Elimination von extrazellulären Bakterien und Pilzinfektionen gesehen wird. IL-23 sichert das Überleben von Th17-Zellen und aktiviert PMN und Mφ [122]. Es wird von Antigen präsentierenden Zellen (APC) wie Mφ, Monozyten, DC und aktivierten KC [123] als Reaktion auf PAMP- oder DAMP-Wahrnehmung [124], oder im Rahmen einer „endoplasmatisches Retikulum“ (ER)-Stressantwort freigesetzt [125]. Eine ER-Stressantwort erfolgt z.B., wenn vom ER eine Bedrohung der intrazellulären Ca2+- Homöostase registriert wird. So überrascht es nicht, dass IL-23 auch entzündungshemmende Eigenschaften besitzt, die als „Inflammationsbremse“ gestresster APC zum Einsatz kommen können. A. N. Sieve et al. (2010) haben nachgewiesen: IL-23 reduziert über den IL-12-Rezeptor die IL-12-„Responsiveness“ von Lymphozyten und senkt insbesondere die IL-12 induzierte IFNγ-Synthese [126]. IL-23 ist in Psoriasisläsionen deutlich erhöht [127, 128].
Th17-Zellen
Th17-Zellen entwickeln sich aus naiven T-Zellen durch Costimulation von TGF-ß1, IL-1, IL-6, IL-16, IL-21 und IL-23. Th17-Zellen setzen besonders die Zytokine IL-17 und IL-22 frei [129], können aber auch IL-10 produzieren und damit ihre eigene inflammatorische Wirkung begrenzen [130, 131]. Sie sind, wie die von ihnen freigesetzten Zytokine, physiologisch mit der Abwehr extrazellulärer, mikrobieller Infektionen betraut und sind bei verschiedenen, entzündlichen Erkrankungen überexprimiert. Th17-Zellen sind in psoriatischen Läsionen so stark überrepräsentiert, dass man die Psoriasis heute sogar als eine Th17-getriebene Erkrankung bezeichnet.
2.18.4 IL-10, IL-4, IL-13
IL-10 wird von manchen Immunologen als „Master Regulator of Immunity to Infection“ bezeichnet [132], weil es mit umfassenden, antiinflammatorischen Eigenschaften ausgestattet ist, und nicht nur Th1-Zytokine, sondern auch Th2-Zytokine regulieren kann. So ist es z.B. auch in der Lage, eine Überexpression von IL-4, IL-5 und IL-13 zu verhindern [132]. IL-10 wird von Immunzellen wie MC [133], Mφ, DC, EC, B-Zellen, Treg und von verschiedenen CD8+ und CD4+ T-Zellen freigesetzt[132]. In der gesunden Epidermis setzen KC IL-10 in geringen Mengen konstitutiv frei [134, 135] und beeinflussen damit die lokale Immunbalance antiinflammatorisch. IL-10 kann die MHC-II- und CD80/86- Expression auf Monozyten und Mφ hemmen, limitiert die Freisetzung der proinflammatorischen Zytokine IL-1α, IL -1ß, IL-6, IL-12, IL-18, TNFα, IL-8 und schränkt direkt die Proliferation von T-Zellen und deren Produktion von IL-2, IFN-γ, IL-4, IL-5 und TNFα ein [132, 136-138]. Insbesondere kann IL-10 indirekt die Produktion von IL-17A durch Th17-Zellen hemmen [112].
Die herausragenden Eigenschaften von IL-10 sollen noch einmal kompakt genannt werden: Induktion von Treg-Zellen, Hemmung der Antigenpräsentation von APC [139: S. 31 Zeile 5-6], Hemmung der Synthese von Th17-polarisierenden Zytokinen [139: S. 31 Zeile 17-21], Inhibition der Sekretion von TNFα- und IL-12 durch Mφ und DC, sowie Hemmung der IFNγ-Produktion durch T-Zellen, inkl. Th17-Zellen. IL-10 ist also gewissermaßen eine Wunderwaffe des Immunsystems, die sich gegen Entgleisungen der angeborenen und erworbenen Immunabwehr richtet.
Die Wirkung von IL-10 ist jedoch von der Expression seines Rezeptors (IL-10R) abhängig, der u.a. durch Vitamin D und Calcipotriol induziert werden kann [140]. In psoriatischen Läsionen ist die IL-10R Expression dramatisch vermindert [141] und eine nahezu absolute IL-10 Defizienz ist läsional charakteristisch [142].
IL-4 und IL-13
Die Hauptquelle von IL-4 und IL-13 sind Th2-Zellen; aber auch Mastzellen [143] und basophile Granulozyten können diese Zytokine freisetzen. IL-13 führt in B-Zellen zum IgE-Klassenswitch, induziert MHC II-Expression und hemmt die Synthese proinflammatorischer Zytokine inklusive IL-17 [130, 144]. IL-4 induziert in naiven CD4+ T Zellen die Differenzierung zu Th2 Effektorzellen [145]. Läsionale psoriatische KC exprimieren, wie E. Prens et al. (1996) zeigen konnten, deutlich mehr IL-4-Rezeptoren pro Zelle, als KC der gesunden Haut [146]. Den psoriatischen Läsionen fehlen die entzündungshemmenden Th2-Zytokine IL-4 und IL-13 [147].
2.19 Immunbalance
Die läsionale Abwesenheit der drei antiinflammatorischen Th2-Zytokine IL-4, IL-10, IL-13 bei läsional deutlich gesteigerten Th1/Th17-Zytokinen wie IFNγ, TNFα, IL-2, IL-17, IL-22 und IL-23, belegt die psoriatische Entgleisung des immunologischen Gleichgewichtes in Richtung Th1/Th17 [142]. Diese Verschiebung der Immunbalance lässt sich auch im Blutserum von Psoriasis-Patienten nachweisen, deren Zytokinprofil deutlich erhöhte Titer für IL-2, IL-17, IL-22 und IFNγ aufweist [87].
2.20 HLA-Typen, ß2-Mikroglobulin
HLA-Moleküle präsentieren auf Zelloberflächen intrazellulär prozessierte Proteine, die entweder aus der Zelle selbst stammen, oder von außen in die Zelle aufgenommen wurden. Starke Assoziationen, die es zwischen bestimmten HLA-Typen und Psoriasis gibt, betreffen in der Mehrzahl MHC-I-Moleküle (s. 2.8). MHC-I-Moleküle präsentieren i.d.R. prozessiertes „Selbst”, und zwar in einer Molekültasche, die aus drei α-Einheiten und dem ß2-Mikroglobulin (ß2M) gebildet wird. ß2M bildet nichtkovalente Bindungen mit den α-Einheiten, stabilisiert die MHC-I-Tertiärstruktur, kann abdissoziieren und steht im Äquilibrium-Austausch mit extrazellulär zirkulierendem, löslichen ß2M [148, 149]. Die Tendenz zur Abdissoziation vom MHC-I-Molekül ist abhängig von den Bindungseigenschaften zwischen ß2M und einem gegebenen MHC-I-Molekül. Unter Entzündungsbedingungen werden MHC-I-Moleküle verstärkt exprimiert, so dass abhängig von dem Ausmaß der Entzündung und dem Vorhandensein bestimmter HLA-Moleküle mit einem Anstieg von ß2M im Serum zu rechnen ist. Psoriasis ist mit einem erhöhten ß2M-Serumspiegel assoziiert, und dieser korreliert mit dem „Psoriasis Area Severity Index“ (PASI) [150]. Da ß2M als Impfstoff-Adjuvans zur Aktivierung zytotoxischer, CD8 positiver T-Lymphozyten (CTL) verwendet werden kann [151], ist zu erwarten, dass ein erhöhter ß2M-Serum- oder Interstitiumspiegel die Inflammationsneigung verstärkt und dadurch zu einem Krankheitstrigger bei bestehender Veranlagung wird. Könnte es sein, dass das Bindungsvermögen der kritischen MHC-I Moleküle Cw6, B13, Bw57, B27 für ß2M vermindert ist, so dass es bei Trägern dieser HLA-Moleküle zu einer verstärkten, basalen Abdissoziation von ß2M kommt, und damit eine angeborene Inflammationsbereitschaft vorliegt? 2
Da der weit überwiegende Teil der Menschen mit den kritischen HLA-Genen keine Psoriasis entwickelt, und bis heute vergeblich nach „dem“ Psoriasis-Autoantigen, das die spezifisch psoriatische Entzündung erklärt, gesucht wurde, ist anzunehmen, dass das Auftreten bestimmter MHC-I oder MHC-II-Moleküle und das Auftreten einer Veranlagung zur Psoriasis zwei unabhängige Ereignisse sind, deren gemeinsames Auftreten die Wahrscheinlichkeit für einen Ausbruch der Psoriasis deutlich erhöht. Oftmals ist es das Zusammentreffen von Eigenschaften, das zum Auslöser wird, ohne dass eine der Eigenschaften die andere bedingt. Die folgende Abbildung soll die Situation verdeutlichen:

Abbildung 3: Die Assoziation zwischen Psoriasis und HLA Cw6
Das Rechteck rechts oben zeigt die Schnittmenge zwischen Vorkommen HLA Cw6 und der Veranlagung zur Psoriasis, deren Häufigkeit unbekannt ist. Die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Psoriasis unter der Voraussetzung HLA Cw6 ist deutlich erhöht und führt zu der bekannten Assoziation. Abkürzung: Pso= Manifeste Psoriasis, weiteres s. Text.
3 Vegetative Innervation, Neurorezeptoren, cAMP
Vegetative Innervation und Neurorezeptoren bilden die Grundlagen, auf denen die in den Kapiteln 4 und 8 vorgestellten Ergebnisse des Reviews aufbauen. Dieses Kapitel soll vorbereitend und zur späteren Bezugnahme den aktuellen Wissensstand rekapitulieren.
3.1 Allgemeine Einführung
Das zentrale Nervensystem interagiert bidirektional und dynamisch mit dem gesamten Organismus, insbesondere auch mit dem Immunsystem, um so die Immunhomöostase aufrecht zu erhalten. Hierbei nimmt das vegetative Nervensystem mit seinem sympathischen Arm eine Schlüsselstellung als Bote zwischen Gehirn und Immunsystem ein [153: chapter 3.3.5, 154, 155]. Die wesentlichen Zielzellen der sympathischen Innervation lymphatischer Organe sind Thymozyten, T-Lymphozyten, Mφ, MC, Plasmazellen und enterochromaffine Zellen [156]. Den lymphatischen Organen, wie auch der Haut, fehlt eine direkte parasympathische, cholinerge Innervation, aber ihre Zellen exprimieren dennoch die Komponenten des cholinergen Systems und gehören damit dem nicht-neuronalen cholinergen System (NNCS) an. Das NNCS ist gekennzeichnet durch das Vorhandensein von Acetylcholin (ACh) und seinem Syntheseenzym, der Cholin-Acetyltransferase (ChAT), ferner dem hochaffinen (Na+ und Cl- abhängigen) Cholin-Transporter (ChT-1), der extrazelluläres Cholin in die Zelle einschleust [157-159] und der ACh abbauenden Acetylcholinesterase (AChE). Ferner gehören muskarinische (mAChRs) und nikotinische (nAChRs) Rezeptoren zur Ausstattung des NNCS [157, 160, 161].
Die parasympathische, neuronale Versorgung erreicht über Hirnnerven, N. vagus, Nn. splanchnici und Effektor nahe Ganglien oder Plexus, soweit bekannt, nur Sinnesorgane und die nichtlymphatischen, inneren Organe. Ein Gewebe, das keine direkte parasympathische Anbindung hat, kann mit ACh wegen dessen kurzer Halbwertzeit nicht über die Blutzirkulation versorgt werden. In diesen Geweben ist ACh i.d.R. auto-oder parakrinen Ursprungs [162]. Das parasympathische System kann dennoch Einfluss auf die nicht direkt von ihm innervierten Bereiche nehmen, indem es sich gezielt sympathischer Innervation bedient. Dies ist z.B. der Fall bei dem extrem schnellen, vom ZNS ausgehenden „cholinergen antiinflammatorischen Signalweg“ zur Kontrolle Endotoxin vermittelter TNFα Ausschüttung in der Milz: in der Milz produzierte Zytokine stimulieren über afferente Bahnen die Stressachse des Hypothalamus mit nachfolgender zentraler Vagusreizung. Der N. Vagus leitet die Erregung über nikotinische α7-nAChR (n-AChR s. 3.4.1) autonomer Ganglien weiter an den sympathischen Milznerven und führt so zu einer Katecholamin vermittelten Inhibition überschießender, inflammatorischer Zytokinproduktion [163-165].
Die Haut und insbesondere auch die Epidermis sind von einem Geflecht somatosensorischer Nervenfasern durchzogen. Die intraepidermalen, sensorischen Nervenfasern (IENF) sind nackte Nervenfasern, die dermalen Nerven entspringen, zur Oberfläche der Epidermis aufsteigen und sich innerhalb der Epidermis mit einigen horizontalen Ästen verzweigen [166]. KC und andere epidermisständige Zellen kommunizieren mit den IENF durch parakrine Stimulation, unterstützen deren sensorisches Signalling [167] und werden umgekehrt durch Neuropeptide der IENF stimuliert [167]. Die sympathischen Fasern der Dermis erreichen ihre Versorgungsgebiete zusammen mit den sensiblen Hautnerven [168], innervieren dermale Strukturen wie Schweißdrüsen, Blutgefäße und Haarfollikel und reichen zumindest bis an die dermo-epidermale Junktionszone [167]. Eine sympathische Innervation der Epidermis wird von modernen Autoren kategorisch ausgeschlossen [167], wurde jedoch von dem Anatom F. Kiss (1958) beschrieben [169]. Für die lymphatischen Organe konnten S. Y. Felten et al. (1991, 1992) die Innervation durch sympathische Nervenfasern zeigen [170]; in elektronenmikroskopischen Studien der Milz wurde ein direkter Kontakt der Nervenendigungen mit Lymphozyten und Mφ sichtbar gemacht [171: S. 10].
Da die Haut sympathisch, aber nicht parasympathisch innerviert ist, werden cholinerge Impulse hier über das NNCS generiert. Dem NNCS gehören auch KC und T-Zellen an, die in jeder Reifungsphase charakteristische cholinerge/ adrenerge Rezeptor-Kombinationen tragen [172, 173, 174: S. 12] und zu auto- und parakriner Sekretion von ACh und Katecholaminen befähigt sind [153, 175]. KC besitzen in vollem Umfang die Kapazität zur Katecholamin-Synthese und zum Katecholaminabbau [176].
3.2 ß-Adrenozeptoren (ßAR)
ß-Adrenozeptoren, mit den bekannten Subtypen ß1, ß2 und ß3, sind membranständige Rezeptoren und gehören zur Klasse der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCR). Herzmuskel und juxtaglomeruläre Zellen der Niere exprimieren ß1-Adrenozeptoren zur Herzkraftregulation, respektive Reninausschüttung. ß3-Adrenozeptoren sind im braunen Fettgewebe lokalisiert und dienen der Wärmeregulation. ß2-Adrenozeptoren findet man in allen Körperorganen und Geweben; sie sind damit gewissermaßen die Normvariante der ß-Adrenozeptoren. In der Haut werden sie u.a. von KC, ekkrinen Schweißdrüsen [177] und dermalen Blutgefäßen exprimiert [178].
3.2.1 Signalübertragung der ßAR
Alle Subtypen der ßAR leiten ihre Signale i.d.R. über stimulierende G-Proteine (Gs-Proteine) weiter. G-Proteine sind heterotrimere, GTP-bindende Proteine, die durch eine Rezeptoraktivierung ihren aktiven Funktionszustand erlangen und im Falle der Gs-Proteine zur Aktivierung der Adenylatzyklase (AC) und damit zur Synthese des „second messenger“ cAMP aus ATP führen. ß2AR stimulieren über die α-Untereinheit heterotrimerer Gs-Proteine, die Gαs-Proteine, die Adenylatzyklase Typ9 (AC9 = ADCY9) [179], deren Syntheseleistung bei ca. 1000 cAMP-Molekülen pro Minute liegt [174: S. 9 4. Absatz]. Dabei aktiviert ein funktionsfähiger, Gs-gekoppelter ßAR mehrere Gαs-Proteine, und bewirkt dadurch Signalamplifikation [180: S. 4]. ß1AR und ß2AR stimulieren die cAMP-Synthese in gleichem Umfang [181]. Die AC9 ist anders als die übrigen ACs unempfindlich gegenüber der Aktivierung durch Ca2+/Calmodulin und Forskolin, einem Rezeptor unabhängigen AC-Aktivator [179]. Von Bedeutung ist ferner, dass die Aktivität der AC9 durch Diacylglycerin/Proteinkinase C (s.u.) gehemmt werden kann [182].