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1. Kapitel Unternehmensumstrukturierungen und ihre Erscheinungsformen › A. Motive für sowie Ziele von Unternehmensumstrukturierungen und -übertragungen
A. Motive für sowie Ziele von Unternehmensumstrukturierungen und -übertragungen
1
Unternehmensumstrukturierungen und -übertragungen erfolgen in der Praxis aus den unterschiedlichsten Motiven heraus und mit den unterschiedlichsten Zielen.[1] Neben strategischen Motiven und Zielen wie
– der Erleichterung einer Veräußerung (Bsp.: Konzentration auf das Kerngeschäft) bzw. Stilllegung (Ziel: Personalabbau, Motiv: Kostensenkung) bestimmter Unternehmen oder Unternehmensteile, – der Vermeidung kartellrechtlicher Verstöße[2] oder – nachteiliger regulatorischer Vorgaben[3] bzw. – steuerlicher Effekte[4]werden in der Praxis durchaus häufig auch spezifisch arbeitsrechtlich motivierte Ziele verfolgt. Diese reichen von
– einer Effizienzsteigerung durch Veränderung der organisatorischen Abläufe zur Erzielung von Synergieeffekten (Motiv: Wettbewerbsfähigkeit steigern oder erhalten), – über die Gestaltung der Betriebs- und Gesellschaftsstruktur zur Gestaltung des Mitbestimmungsumfangs (Motiv: Verschlankung von Abläufen und Reduktion von Verwaltungs- und Abstimmungsaufwand) bzw. des Sozialschutzes (inklusive Kündigungsschutz) auf Betriebs- und Unternehmensebene[5], – bis hin zur Vereinheitlichung oder Veränderung von Arbeitsbedingungen (Leistungsverdichtung, Kostenreduktion).2
So vielgestaltig die Motive und Ziele von Unternehmensumstrukturierungen bzw. -übertragungen sind, so zahlreich sind auch die Gestaltungsmöglichkeiten, die zur Erreichung entsprechender Ziele zur Verfügung stehen.
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Angesichts der komplexen Motivations- und Interessenlage, die hier lediglich nur schemenhaft skizziert werden können, erschließt sich schnell, dass eine Einheitslösung ebenso wenig existiert wie eine in aller Regel vorteilhafte Lösung. Maßgeblich für die Wahl des richtigen Gestaltungsmodells sind vielmehr der rechtliche und tatsächliche Rahmen sowie die Interessenlage im konkreten Fall.
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Der Interessenlage im konkreten Fall kann ggf. auf ganz unterschiedlicher Ebene Rechnung getragen werden. Denn denkbar sind ausgehend davon, welche Ziele vorrangig verfolgt werden sollen, entweder rein gesellschaftsrechtliche oder rein arbeitsrechtliche (z.B. rein tatsächlich-organisatorische) bzw. eine Kombination aus gesellschafts- und arbeitsrechtlichen Maßnahmen.[6]
Anmerkungen
[1]
Vgl. zur wirtschaftlichen Entwicklung und ihrer Auswirkung auf Umstrukturierungstrends (allerdings bisweilen etwas polemisch) Beseler/Düwell/Göttling/Düwell S. 329 ff.; vgl. zu Motiven für Umstrukturierungen ferner Sieg/Maschmann Rn. A 4 ff.
[2]
Auf kartellrechtliche Vorgaben weist zu Recht WHSS/Willemsen Rn. B 138 f. hin.
[3]
Vgl. zu gesellschafts- und arbeitsrechtlichen Umstrukturierungen zur Compliance mit Unbundlingvorgaben in der Energiewirtschaft Mückl Arbeitsrecht der Energiewirtschaft, Kap. 2 Rn. 56 ff., 245 ff.
[4]
Goldenbaum/Strunk DStR 1995, 1773; Arens/Düwell/Wichert/Arens/Düwell § 4 Rn. 3; WHSS/Willemsen Rn. B. 134 ff.
[5]
Vgl. zu einer beispielhaften Aufzählung von Schwellenwerten, die zu vermeiden Motivation einer Umstrukturierung sein kann z.B. Arens/Düwell/Wichert/Arens/Düwell § 4 Rn. 3 sowie Pulte BB 2005, 549.
[6]
Vgl. zu einem Überblick über Aspekte, die bei der Planung einer Umstrukturierung beachtet werden müssen, z.B. Bauer/Haußmann/Krieger Teil 1 B. Rn. 1 ff.
1. Kapitel Unternehmensumstrukturierungen und ihre Erscheinungsformen › B. Rein gesellschaftsrechtliche Maßnahmen
B. Rein gesellschaftsrechtliche Maßnahmen
1. Kapitel Unternehmensumstrukturierungen und ihre Erscheinungsformen › B. Rein gesellschaftsrechtliche Maßnahmen › I. Zielsetzung: Minimierung arbeitsrechtlicher Einflussnahme auf die Umstrukturierung
I. Zielsetzung: Minimierung arbeitsrechtlicher Einflussnahme auf die Umstrukturierung
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Soweit die Bedingungen, unter denen die Umstrukturierung erfolgen soll, bzw. deren Zielsetzung eine möglichst geringe Einflussnahme arbeitsrechtlicher Vorgaben bzw. der Mitarbeiter und ihrer Vertretungen als wünschenswert erscheinen lassen, sollte (vorbehaltlich gegenläufiger steuerlicher und sonstiger Implikationen) im Zweifel eine rein gesellschaftsrechtliche Gestaltungsform gewählt werden.[1]
6
Bei rein gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen bestehen in der Regel die geringsten Beteiligungs- und Einwirkungsrechte der Arbeitnehmerseite.
a) Anteilserwerb bzw. -veräußerung an nicht börsennotierten Unternehmen durch Kaufvertrag
7
So ist z.B. im Fall eines reinen Kaufs bzw. Verkaufs von Gesellschaftsanteilen (Share Deal) an nicht börsennotierte Unternehmen lediglich nach § 106 BetrVG der Wirtschaftsausschuss[2] bzw. – im Fall eines Kontrollerwerbs in Unternehmen, in denen kein Wirtschaftsausschuss besteht – gem. § 109a BetrVG der zuständige Betriebsrat rechtzeitig über entsprechende Planungen zu unterrichten.[3]
8
Praxistipp:
Dies gilt auch bei einem Angebot zum Erwerb von Wertpapieren einer börsennotierten Zielgesellschaft nach § 10 WpÜG (vgl. zu Beteiligungsrechten nach dem WpÜG sogleich unter Rn. 17 ff.). Auch hier erschöpft sich die Beteiligung der Arbeitnehmervertretungen des Bieters zunächst in einer Information an und einer Beratung mit seinem Wirtschaftsausschuss nach § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG.[4]
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Ein Mitentscheidungsrecht im Sinne eines Zustimmungserfordernisses oder Ähnliches existiert für die Arbeitnehmervertretungen (lässt man einen mitbestimmten Aufsichtsrat einmal unberücksichtigt) demgegenüber nicht. Insofern kann der Betriebsrat die Durchführung eines derartigen Share Deals, sofern sich die Maßnahme im Anteilserwerb erschöpft, auch nicht (ggf. im Wege einer einstweiligen Verfügung) verzögern oder gar verhindern. Gleiches gilt für die Mitarbeiter.[5]
10
Praxistipp:
Geachtet werden muss in derartigen Fällen aber auf Change-of-Control-Klauseln, die ggf. ein (kurzfristiges) Ausscheiden wichtiger Know-how- und Leistungsträger bei einem Anteilsinhaberwechsel – u.U. gegen Zahlung einer erheblichen Abfindung – ermöglichen.[6] Häufig werden derartige Klauseln noch unmittelbar vor dem Gesellschafterwechsel (Share Deal) vereinbart. Das Vorliegen derartiger Klauseln muss im Due Diligence-Prozess[7] geprüft und ein Ausschluss von Schäden durch derartige Klauseln durch Vorgaben im Anteilskaufvertrag (Share Purchase Agreement) oder anderweitige Maßnahmen abgesichert werden.
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Die Nichtbeteiligung bzw. nicht ordnungsgemäße Beteiligung der zuständigen Arbeitnehmervertretung ist allerdings nach § 121 BetrVG immerhin eine bußgeldbewerte Ordnungswidrigkeit. Für ein Eingreifen von § 23 Abs. 3 BetrVG wird man in der Regel eine dauerhafte Pflichtverletzung, d.h. einen wiederholten und hartnäckigen Verstoß gegen die Beteiligungsrechte des Wirtschaftsausschusses und/oder Betriebsrats verlangen müssen.[8]
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Praxistipp:
Nicht Gegenstand der Unterrichtungspflicht gegenüber dem Wirtschaftsausschuss bzw. Betriebsrat ist allerdings die Vorlage des Kaufvertrags.[9] Denn Hintergrund für die Beteiligung des Wirtschaftsausschusses ist nicht die rein gesellschaftsinterne Maßnahme der Anteilsveräußerung als solcher, sondern die durch sie bedingte Veränderung in der Zusammensetzung des Gesellschafterkreises, die als solche mittel- bis kurzfristig Einfluss auf die Unternehmenspolitik und -strategie haben kann.[10]
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Die Beteiligungsrechte des Wirtschaftsausschusses und des zuständigen Betriebsrats erschöpfen sich grundsätzlich auch dann in den vorgenannten Rechten, wenn der Erwerb von Unternehmensanteilen dem Arbeitgeber strategische Chancen im Hinblick auf zukünftige Betriebsänderungen ermöglicht.[11]
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Beispiel:
Dies gilt z.B. dann, wenn ein Konkurrenzunternehmen als neues Tochterunternehmen im Wege des Share Deal erworben wird. Damit mag sich zwar die Chance auf Synergieeffekte und damit – ggf. sogar naheliegend – das Risiko einer zukünftigen Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG ergeben. Führt man sich aber vor Augen, dass erst entsprechende konkrete Planungen, die nach der jüngsten Rechtsprechung des BAG[12] ggf. sogar in entsprechenden Beschlüssen der Gesellschafter, des Vorstands bzw. der Geschäftsführer dokumentiert sein dürfen, ohne dass darin eine Verletzung der Mitbestimmungsrechte liegt, Beteiligungsrechte gemäß §§ 111 ff. BetrVG in Form von Informations- und Beratungsrechten auslösen, scheidet eine Beteiligung nach §§ 111 ff. BetrVG im Hinblick auf den bloßen Anteilskauf auch dann offensichtlich aus, wenn er naheliegender Weise in der Zukunft zu einer Betriebsänderung i.S.d. §§ 111 ff. BetrVG führen kann.[13]
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Praxistipp:
Werden im Nachgang zu einem Gesellschafterwechsel Unternehmensorgane neu besetzt, ist es denkbar, dass sich aus dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) bzw. gegenüber dem Wirtschaftsausschuss (§ 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG) Informationspflichten ableiten.[14] In der Praxis ist dies ohnehin eine Selbstverständlichkeit.
b) Exkurs: Gründung von Tochtergesellschaften
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Die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmerseite erschöpfen sich auch bei der Gründung von Tochtergesellschaften in einem Unterrichtungs- und Beratungsrecht des Wirtschaftsausschusses nach § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG,[15] sofern keine Gründung im Wege der Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 UmwG erfolgt.[16] Ein Beteiligungsrecht des Betriebsrats des die Tochtergesellschaft gründenden Rechtsträgers nach § 109a BetrVG kommt nicht in Betracht, da keine Übernahme des gründenden Rechtsträgers in Rede steht, sondern dessen Kontrollübernahme über ein von ihm gegründetes Unternehmen.
c) Anteilserwerb bzw. -veräußerung an börsennotierten Unternehmen durch Kaufvertrag
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Mit der Einfügung von § 106 Abs. 3 Nr. 9a BetrVG und § 109a BetrVG soll den Belegschaften nicht börsennotierter Unternehmen in gleicher Weise eine Information über die Unternehmensübernahme zukommen wie den Arbeitnehmern börsennotierter Unternehmen gemäß dem WpÜG. Im Zusammenhang mit öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Aktien an börsennotierten Unternehmen bzw. mit dem Kontrollerwerb über börsennotierte Unternehmen hat der Gesetzgeber des WpÜG nämlich zum Schutz der Arbeitnehmerinteressen drei Maßnahmen vorgesehen:[17]
– Information der Geschäftsleitungsorgane gegenüber den Arbeitnehmern bzw. den zuständigen Vertretungen (Betriebsräten) sowie das Recht zur Stellungnahme der Arbeitnehmer bzw. ihrer Betriebsräte (§ 27 Abs. 2 WpÜG); – die Zuordnung bestimmter Geschäftsleitungsmaßnahmen im Zusammenhang mit Übernahmen zum Aufsichtsrat der Zielgesellschaft, der regelmäßig mit Arbeitnehmervertretern besetzt ist (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 3 WpÜG: Mit-Entscheidungsprärogative bei Abwehrmaßnahmen feindlicher Übernahmen) sowie – die Besetzung des Beirats bei der die Aufsicht über die Einhaltung des gesetzlichen Vorschriften ausübenden Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mit zwei Vertretern der Arbeitnehmer (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 WpÜG).18
Mit den im WpÜG geregelten Informations- und Stellungnahmerechten steht den Arbeitnehmern insoweit ein umfangreicheres Beteiligungsrecht zur Verfügung, als es bei rein umwandlungsrechtlichen Maßnahmen nach dem UmwG (dazu sogleich unter Rn. 23 ff.) der Fall ist. Fallen beide Gestaltungsformen bei einem einheitlichen Vorgang zusammen (z.B. Wertpapiererwerb durch Verschmelzung oder Spaltung), finden sie parallel Anwendung, was zu zeitlichen und verfahrenstechnischen Abstimmungsproblemen führt.[18]
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Der Arbeitnehmerschutz wird in den vorliegenden Fallkonstellationen im Übrigen zusätzlich dadurch verstärkt, dass auch der Vorstand des Bieters verpflichtet ist, die Angebotsunterlagen seinem zuständigen Betriebsrat (bzw. bei dessen Fehlen: unmittelbar seinen Arbeitnehmern) unverzüglich nach ihrer Veröffentlichung zu übermitteln (§ 14 Abs. 4 Satz 3 WpÜG). Die Angebotsunterlage selbst muss auch die Absichten des Bieters mit Blick auf seine eigene Geschäftstätigkeit sowie deren arbeitnehmerbezogene Auswirkungen darstellen (§ 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 WpÜG).
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Steht ein Erwerb i.S.d. §§ 10 Abs. 5 Satz 3, 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2, 14 Abs. 4 Satz 3 WpÜG an börsennotierten Unternehmen in Rede,[19] zu dem der zuständige[20] Betriebsrat der Zielgesellschaft (bzw. die Arbeitnehmer, soweit kein Betriebsrat existiert) gemäß § 27 Abs. 2 WpÜG Stellung nehmen soll, ist Folge der unterlassenen oder nicht rechtzeitig erfolgten Information des zuständigen Betriebsrats ggf. nicht nur ein Bußgeld infolge der dann vorliegenden Ordnungswidrigkeit, sondern die unterlassene Betriebsratsbeteiligung ist zusätzlich mit aufsichtsrechtlichen Maßnahmen verbunden.[21] Dadurch gewinnt die rechtzeitige Information des Betriebsrats in diesem Zusammenhang zusätzliche Bedeutung, ist aber wiederum keine Wirksamkeitsvoraussetzung. Schadensersatzansprüche bzw. Ansprüche auf ein Einschreiten durch die BaFin oder Unterlassungsansprüche des Betriebsrats bzw. der Arbeitnehmer scheiden nach zutreffender h.M. auch insoweit aus.[22]
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Praxistipp:
Keine Verstärkung erfahren die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats im Übrigen in Bezug auf im Nachgang zum Aktienerwerb bzw. der Unternehmensübernahme erfolgende Änderungen auf Betriebsebene. Auch insoweit gilt die Trennungstheorie:[23] Das WpÜG enthält eine abschließende arbeitsrechtliche Regelung dieses Vorgangs. Weiterreichende betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmungsrechte, z.B. § 111 BetrVG, finden nur dann Anwendung, wenn deren tatbestandliche Voraussetzungen vorliegen,[24] was bei einem reinen Aktien- oder Kontrollerwerb nicht der Fall ist.
c) Erwerb von Konzernen (durch Konzernobergesellschaften)
22
Eine Mitbestimmungslücke selbst hinsichtlich der Informationspflichten der Arbeitnehmervertretungen, die nach einer teilweise vertretenen Ansicht durch eine analoge Anwendung von § 109a BetrVG geschlossen werden soll,[25] ergibt sich, wenn das Übernahmeobjekt nicht ein Einzelunternehmen, sondern ein Konzern (vermittelt durch den Erwerb der Konzernobergesellschaft) ist. Dies wird von der h.M. allerdings zu Recht abgelehnt.[26]
d) Anteilserwerb bzw. -veräußerung durch Umwandlungen nach dem UmwG
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Die Veräußerung bzw. den Erwerb verhindern oder verzögern kann der zuständige Betriebsrat[27] auch dann nicht, wenn der Share Deal im Wege einer Umwandlung nach dem UmwG erfolgt.[28] Hier sind die Informationspflichten – obgleich außerhalb des WpÜG nicht aufsichtsrechtlich flankiert – allerdings in anderer Weise strenger ausgestaltet:
– Während die Nichtinformation des Wirtschaftsausschusses gemäß § 106 BetrVG bzw. – im Rahmen des § 109a BetrVG – des Betriebsrats bei einem reinen Anteilskauf „lediglich“ als mit einem Bußgeld bewehrte Ordnungswidrigkeit zu qualifizieren ist (§ 121 BetrVG), – stellt die Nichtzuleitung bzw. nicht rechtzeitige Zuleitung des Entwurfs des Umwandlungsvertrags bzw. -plans nach §§ 5 Abs. 3, 126 Abs. 3, 194 Abs. 2 UmwG ein echtes Eintragungs- und damit Wirksamkeitshindernis für die geplante Umwandlung dar.[29] Hier ist die korrekte Beteiligung des richtigen Betriebsrats Wirksamkeitsvoraussetzung für die umwandlungsrechtliche Maßnahme. – Betriebsratsmitglieder sind als solche aber nicht befugt, den Umwandlungsbeschluss anzufechten.[30] Anfechtungsrechte können nur durch Aktienerwerb und ein dadurch bewirktes Teilnahme-, Frage- und Rederecht in der Hauptversammlung „erkauft“ werden, die nach § 13 Abs. 1 UmwG (ggf. i.V.m. § 125 bzw. § 193 UmwG) über die geplante Umwandlung beschließen soll.24
Praxistipp:
Soweit die Informationsvorgaben des UmwG eingehalten werden, besteht für dahingehende Überlegungen allerdings kein Anlass, weshalb eine ordnungsgemäße Information auch als Deeskalationsinstrument geschätzt werden sollte.[31]
25
Eine weitergehende Arbeitnehmerbeteiligung ist im Zusammenhang mit übertragenden Umwandlungen lediglich bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen nach dem MgVG in Bezug auf die Unternehmensmitbestimmung (§ 22 MgVG)[32] bzw. bei Gründung einer Europäischen Aktiengesellschaft (SE) durch Verschmelzung (Art. 2 Abs. 1 SE-VO) nach dem SEBG (abgesichert durch Art. 12 Abs. 2 SE-VO)[33] bzw. einer Europäischen Genossenschaft (SCE) durch Verschmelzung denkbar.[34]
26
Soweit die Betriebsstruktur im Zusammenhang mit derartigen Maßnahmen nicht geändert wird, handelt es sich allerdings nicht um eine Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG, sodass dem Betriebsrat insoweit keine Beteiligungsrechte nach den §§ 111 ff. BetrVG zustehen.[35]
e) (Begrenzte) Mitbestimmung durch Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat
27
Relevant kann zwar die Beschlussfassung eines mitbestimmten Aufsichtsrats in Bezug auf Unternehmensumstrukturierungen werden.[36] Auch hier besteht aber letztlich keine Blockademöglichkeit für die Arbeitnehmerseite:
– § 32 MitbestG sieht zwar vor, dass Entscheidungen über die Auflösung oder Umwandlung einer Untergesellschaft nur zulässig sind, wenn ein entsprechender Beschluss der nach dem MitbestG mitbestimmten Obergesellschaft vorliegt. Insoweit besteht ein Informationsrecht; für den entsprechenden Beschluss ist jedoch nur die Mehrheit der Anteilseignervertreter erforderlich. – Ohne einen entsprechenden Aufsichtsratsbeschluss handelt das Vertretungsorgan der Obergesellschaft gegenüber der Untergesellschaft allerdings ohne Vertretungsmacht (§ 180 Satz 1 BGB).[37] Konsequenz kann daher ggf. eine Anfechtbarkeit seines Beschlusses bei potenzieller Ergebniserheblichkeit sein.[38]2. Kein Widerspruchsrecht außerhalb (bestimmter) übertragender Umwandlungen nach dem UmwG
28
Weiterer Vorteil von rein gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen ist zudem, soweit ein reiner Anteilskauf und keine Abspaltung bzw. Ausgliederung oder Vermögensteilübertragung nach dem UmwG in Rede steht, dass dieser nicht durch die Arbeitnehmer des ge- bzw. verkauften Rechtsträgers in Form von (Massen-)Widersprüchen gemäß § 613a Abs. 6 BGB verhindert werden kann.
– Anders als in den Fällen einer Übertragung des Arbeitsverhältnisses auf einen neuen Rechtsträger im Rahmen eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs i.S.d. § 613a BGB besteht nämlich in den Fällen eines Anteilskaufs kein Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer nach § 613a Abs. 6 BGB. Ein entsprechender Share Deal kann daher aus arbeitsrechtlicher Sicht gegenüber einem Asset Deal, der mit einem Betriebs- bzw. Betriebsteilübergang verbunden wäre, vorteilhaft sein.29
Beispiel:
Dies gilt z.B. dann,[39] wenn es dem Erwerber gerade auf einen Erwerb möglichst vieler oder bestimmter Arbeitsverhältnisse ankommt und/oder ein (noch so) hoher Kaufpreis die von dem Veräußerer zu tragenden Sozialplankosten im Fall eines Massenwiderspruchs nicht deckt.
– Dieselben Vorteile können allerdings ggf. dann trotz Betriebs- bzw. Betriebsteilübergangs i.S.d. § 613a BGB erreicht werden, wenn eine Übertragung im Wege einer Verschmelzung bzw. Aufspaltung oder Vermögensvollübertragung nach dem UmwG oder einer gesellschaftsrechtlichen Anwachsung (die nur bei Personengesellschaften möglich ist) außerhalb des UmwG erfolgt. Denn alle vorgenannten Maßnahmen sind mit einem Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers mit der Folge verbunden, dass für die vom Übergang ihres Arbeitsverhältnisses betroffenen Arbeitnehmer insoweit ebenfalls kein Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB besteht.[40] Stattdessen besteht ein Recht zur außerordentlichen Kündigung, das in der Praxis allerdings äußerst selten zum Tragen kommt.[41]30
Praxistipp:
Am ehesten machen in der Praxis wichtige Know-how- und Leistungsträger von diesem Kündigungsrecht Gebrauch, sodass durch zusätzliche Maßnahmen (z.B. durch die Vereinbarung wirksamer nachvertraglicher Wettbewerbsverbote) abgesichert werden muss, dass diese Personengruppe sich nicht vom Unternehmen löst bzw. das außerordentliche Kündigungsrecht nutzt, um Konditionen nachzuverhandeln.
– Entsprechendes wird man – obwohl dies durch die Rechtsprechung noch nicht geklärt ist – richtigerweise auch annehmen müssen, wenn Arbeitsverhältnisse im Rahmen einer Spaltung bzw. Verschmelzung nach dem UmwG übertragen werden, ohne dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 613a BGB eingreifen. Soweit in der Literatur für den Fall einer rein spaltungsrechtlichen Übertragung von Arbeitsverhältnissen teilweise ein Zustimmungserfordernis des Arbeitnehmers behauptet wird, fehlt hierfür eine rechtliche Grundlage.[42]3. Share Deal nach dem UmwG als Mittel zur Tarifänderung
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Gestaltungsziele mit Blick auf tarifliche Arbeitsbedingungen können – außerhalb einer Insolvenz[43] – ebenfalls häufig besonders effizient durch gesellschaftsrechtliche Maßnahmen erreicht werden, da die Tarifbindung an den jeweiligen Rechtsträger, d.h. dessen Eigenschaft als Vertragspartei bzw. Mitglied des tarifschließenden Arbeitgeberverbands, anknüpft.
– Dies gilt insbesondere mit Blick auf eine effiziente Beendigung der Bindung an Verbandstarifverträge, da die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband, welche die Tarifbindung vermittelt, im Rahmen einer umwandlungsrechtlichen (partiellen) Gesamtrechtsnachfolge nicht übertragen wird.[44] – Für Firmentarifverträge bestehen ebenfalls interessante umwandlungsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten, da im Rahmen einer Spaltung nach der zutreffenden Rechtsprechung des BAG eine Zuweisung des Firmentarifvertrags zu einem der an der Spaltung beteiligten Rechtsträger erfolgen muss.[45] Eine Vervielfältigung der Parteistellung an einem Firmentarifvertrag findet infolge einer umwandlungsrechtlichen Spaltung nicht statt. Bei dem Rechtsträger, dem die Parteistellung bzgl. des Firmentarifvertrags nicht zugewiesen worden ist, gilt dieser vielmehr analog § 4 Abs. 5 TVG weiter, was dem betroffenen Rechtsträger die Möglichkeit eröffnet, durch andere Abmachungen i.S.d. § 4 Abs. 5 TVG eine Veränderung der tariflichen Arbeitsbedingungen zu erreichen.[46]32