Steuerstrafrechtliche Risiken in Krise und Insolvenz

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Ziel ist es, einen Sanierungsvergleich zu Stande zu bringen, der gem. § 97 StaRUG vom Restrukturierungsgericht bestätigt wird.
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Ein Sanierungsmoderator (§§ 94ff. StaRUG), an dessen Qualifikation deutlich geringere Anforderungen gestellt werden als an den Restrukturierungsbeauftragten, und der nicht zugleich als Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer tätig ist, erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG), sofern er nicht nachweisen kann, dass er aufgrund seiner individuellen Vorbildung und konkreten Tätigkeit einen katalogähnlichen Beruf ausübt und daher Einkünfte aus selbstständiger Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt.
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Der Sanierungsmoderator soll einen Sanierungsvergleich zu Stande bringen und ist daher nicht Verwalter i.S.v. § 34 Abs. 3 AO.43
9. Steuerberater
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Das Mandat des Steuerberaters zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass die Tätigkeit des Beraters die Kernbereiche der Steuerberaterleistungen, die Fertigung von Steuererklärungen, die Führung der laufenden Finanzbuchhaltung mit Deklarationen und/oder die Erstellung des Jahresabschlusses umfasst. Die gesetzeskonforme Steuerminimierung steht im Mittelpunkt der Beratungsleistung für den Mandanten. Regelmäßig bergen diese „Normalmandate“ keine strafrechtlichen Risiken. Wenn das Unternehmen in eine wirtschaftliche Krise gerät, ohne dass der Mandant diese Entwicklung rechtzeitig erkennt, ist der Steuerberater die Person, die aufgrund der engen Kontakte zum Unternehmen und der Kenntnisse über das Unternehmen die Krise rechtzeitig erkennt und den Mandanten auf Gefahren hinweist.44
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Beispiel:
Die verspätete Einreichung von Buchführungsunterlagen an den Steuerberater kann ein Hinweis auf eine wirtschaftliche Krise sein.
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Praxistipp:
Dem Steuerberater ist es möglich, bei Vorliegen einer solchen Situation und um die steuerlichen Fristen einzuhalten, geschätzte Steueranmeldungen einzureichen.45
Die evtl. darüber hinaus bestehenden handelsrechtlichen Einreichungs- und Veröffentlichungspflichten bleiben davon unberührt.
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Die Aufgabe des Steuerberaters richtet sich grundsätzlich zunächst nach dem Inhalt und dem Umfang des erteilten Mandats.46 Der Steuerberater ist dabei verpflichtet, sich mit den steuerrechtlichen Angelegenheiten zu befassen, die zur pflichtgemäßen Erledigung des ihm erteilten Auftrags zu beachten sind. Nur in den hierdurch gezogenen Grenzen des Dauermandats hat er den Auftraggeber auch ungefragt über die bei der Bearbeitung entstehenden steuerrechtlichen Fragen zu belehren. Zu den vertraglichen Nebenpflichten des Steuerberaters gehört es, den Mandanten nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB vor Schaden zu bewahren und auf Fehlentscheidungen, die für ihn erkennbar sind, hinzuweisen.47 Nach der Rechtsprechung ist der Steuerberater dazu verpflichtet über Vor- und Nachteile sowie Risiken in steuerlicher, nicht jedoch in wirtschaftlicher Hinsicht aufzuklären.48
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In der Krisensituation wendet sich der Mandant an seinen Steuerberater, der ihn in der Vergangenheit regelmäßig bei der Bewältigung steuerlicher und wirtschaftlicher Fragen beraten hat. Der Steuerberater wird dem Mandanten seine Hilfe nicht verwehren, wenn dieser versucht, die Insolvenz zu vermeiden. Der Berater kennt formal legale Gestaltungsmöglichkeiten zur Umgehung bestehender Verpflichtungen und könnte sie auch empfehlen. Die umfassende Beratung darf nicht zur Begehung von Straftaten anleiten.49
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Besondere Risiken für die steuerliche Beratung können sich in der Krise beispielsweise daraus ergeben, dass der Mandant unter Druck gerät und dem Steuerberater u.U. falsche oder unvollständige Unterlagen zur Verfügung stellt. Der Liquiditätsengpass kann dazu führen, dass der Mandant auf den Steuerberater einwirkt, beispielsweise die erforderlichen Lohnsteuer-Anmeldungen und Umsatzsteuer-Voranmeldungen verzögert einzureichen.50
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Dies kann für den Steuerberater eigene strafrechtliche Risiken begründen.51 Nach der Vorschrift des § 102 StaRUG haben Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Rechtsanwälte bei der Erstellung eines Jahresabschlusses für einen Mandanten diesen auf das Vorliegen eines möglichen Insolvenzgrundes nach den §§ 17 bis 19 InsO und die sich daran anknüpfenden Pflichten der Geschäftsleiter und Mitglieder der Überwachungsorgane hinzuweisen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und sie annehmen müssen, dass dem Mandanten die mögliche Insolvenzreife nicht bewusst ist.52 Die Norm verpflichtet den Berufsträger ausdrücklich, auch auf den Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit gem. § 18 InsO hinzuweisen und die daran anknüpfenden Pflichten. Dies verwundert auf den ersten Blick, da die drohende Zahlungsunfähigkeit i.S.v. § 17 InsO lediglich zur Insolvenzantragstellung berechtigt, aber nicht verpflichtet. Da der Gesetzgeber in den Materialien aber ausdrücklich darauf hinweist, dass Geschäftsleiter angemessene Maßnahmen zur Überwachung bestandsgefährdender Entwicklungen ergreifen müssen und bei erkannter drohender Zahlungsunfähigkeit ihre Pflichten zur Wahrung der Gläubigerinteressen zu berücksichtigen haben, wird die drohende Zahlungsunfähigkeit in der Beratung zukünftig eine umfassendere Rolle spielen. Berater sollten daher in ihre laufende Tätigkeit auch stets die Betrachtung des Insolvenzgrundes der drohenden Zahlungsunfähigkeit gem. § 18 InsO einbeziehen und insbesondere die Geschäftsleiter über die sich daraus ergebenden Pflichten in dokumentierter Weise belehren.53
24 Vgl. Henkel, ZIP 2015, 562ff.; Hölzle, ZIP 2012, 158ff.; Laroche/Pruskowski/Schöttler/Siebert/Vallender, ZIP 2014, 2153ff.; Madaus, KTS 2015, 115ff.; Mönning, RAW 2013, 27ff.; Rendels, Eigenverwaltung: Schutz der Masse durch Honorarkriterien, in: Festschrift Kübler, S. 577ff.; Schmittmann/Dannemann, VR 2012, 73ff.; Schmittmann, StuB 2012, 150ff.; Schmittmann/Lemken, InsbürO 2015, 424ff.; Schneider/Höpfner, BB 2012, 87ff.; Schumm, StuB 2012, 25ff. 25 So Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rn. 484; Schmittmann, in: K. Schmidt, InsO, Anhang Steuerrecht Rn. 16. 26 So Roth, Insolvenz – Steuerrecht, Rn. 3.24; Schmittmann, in: K. Schmidt, InsO, Anhang Steuerrecht Rn. 16. 27 So BFH, Beschl. v. 16.10.2009 – VIII B 346/04, BFH/NV 2010, 56ff; Schröder, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 21 Rn. 29; Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rn. 483; Müller/Liebscher, in: Thierhoff/Müller/Illy/Liebscher, Unternehmenssanierung, Kap. 10 Rn. 420; Rüsken, in: Klein, AO, § 34 Rn. 23. 28 Vgl. Schröder, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 21 Rn. 29. 29 So Loose, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 251 AO Rn. 28; Schmittmann, in: K. Schmidt, InsO, Anhang Steuerrecht Rn. 5; Rüsken, in: Klein, AO, § 34 Rn. 23; Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rn. 484. 30 So FG Düsseldorf, Beschl. v. 21.3.2012 – 1 V 152/12 A (U), ZIP 2012, 688ff. = EWiR 2012, 323f. (Schmittmann/Gorris); Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rn. 481; Schmittmann, StuB 2012, 237. 31 Vgl. Busch/Winkens/Büker, Insolvenzrecht und Steuern visuell, S. 165. 32 So BFH, Beschl. v. 27.5.2009 – VII B 156/08, BFH/NV 2009, 1591f. = ZIP 2009, 2255f. 33 So BFH, Beschl. v. 15.9.2010 – II B 4/10, BFH/NV 2011, 2f.; Schmittmann, in: K. Schmidt, InsO, Anhang Steuerrecht Rn. 13; Schmittmann, NZI 2014, 596, 597. 34 Vgl. Birk, ZInsO 2007, 744; Hess, in: Hess, Sanierungshandbuch, Kap. 24 Rn. 21. 35 So Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 28. 36 So Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rn. 514. 37 So Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rn. 484; Loose, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 34 Rn. 25b; BFH, Urt. v. 18.5.1988 – X R 27/80, BFHE 153, 299ff. = ZIP 1989, 123ff., dazu EWiR 1989, 93f. (Weiß) = BStBl. I 1988, S. 716 zu § 92 VerglO. 38 So Roth, Insolvenz – Steuerrecht, Rn. 3.24; Schmittmann, in: K. Schmidt, InsO, Anhang Steuerrecht Rn. 16. 39 Vgl. Uhlenbruck/Sternal, InsO, § 288 Rn. 17. 40 So Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rn. 1163; Schmittmann, StuB 2012, 404. 41 So Schmittmann, in: K. Schmidt, InsO, Anhang Steuerrecht Rn. 18. 42 So Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rn. 484; Schmittmann, in: K. Schmidt, InsO, Anhang Steuerrecht Rn. 5. 43 So Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rn. 484; Schmittmann, in: K. Schmidt, InsO, Anhang Steuerrecht Rn. 5. 44 Vgl. Rauch, in: Werdan/Ott/Rauch, Das Steuerberatungsmandat in der Krise, Sanierung und Insolvenz, S. 1ff. 45 Vgl. Rauch, in: Werdan/Ott/Rauch, Das Steuerberatungsmandat in der Krise, Sanierung und Insolvenz, S. 81. 46 So BGH, Urt. v. 7.3.2013 – IX ZR 64/12, NJW-RR 2013, 983ff. = ZIP 2013, 829ff., dazu EWiR 2013, 477f. (Baumert); Brete/Thomsen, Beratungs- und Haftungsrisiken in der Unternehmenskrise, S. 28. 47 So OLG Koblenz, Urt. v. 15.4.2014 – 3 U 633/13, Stbg 2014, 323f. 48 Vgl. Müller/Liebscher, in: Thierhoff/Müller/Illy/Liebscher, Unternehmenssanierung, Kap. 8 Rn. 310. 49 Vgl. Brete/Thomsen, Beratungs- und Haftungsrisiken in der Unternehmenskrise, S. 90. 50 Vgl. Rauch, in: Werdan/Ott/Rauch, Das Steuerberatungsmandat in der Krise, Sanierung und Insolvenz, S. 120. 51 Vgl. Geyer, in: Bittmann, Insolvenzstrafrecht, § 28 Rn. 15; Brete/Thomsen, Beratungs- und Haftungsrisiken in der Unternehmenskrise, S. 18. 52 Vgl. Schmittmann, ZRI 2020, 649ff. 53 Vgl. Schmittmann, ZInsO 2021, 211ff.
III. Krise
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Befragt man Geschäftsführer und Vorstände von insolventen Unternehmen, so erhält man oftmals die Aussage, dass die Insolvenz „schlagartig“ eingetreten sei. Tatsächlich kündigen sich Insolvenzen allerdings an. Regelmäßig lässt sich die Abfolge bestimmter Phasen unterschiedlicher Krisenformen beobachten, bevor die Illiquidität eintritt.54
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Neben dem IDW Standard: Anforderungen an Insolvenzpläne (IDW S 2) in der Fassung vom 18.11.201955 ist insbesondere der IDW Standard: Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW S 6 n.F.) in der Fassung vom 16.5.2018,56 der aus der Praxis entstanden ist und dem die Literatur weitgehend folgt, zu beachten, der sechs Krisenstadien unterscheidet:
1. Stakeholderkrise
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Unter dem Begriff der „Stakeholderkrise“ wird eine durch schwindendes Vertrauen und sinkende Kooperationsbereitschaft gekennzeichnete Krise auf der Ebene der Stakeholder verstanden, die oft durch Konflikte zwischen diesen Gruppen und ihren Mitgliedern entstehen. Als Stakeholder werden insbesondere Mitglieder der Unternehmensleitung und der Überwachungsorgane, Gesellschafter, Arbeitnehmer und ihre Vertretungen, Banken und andere Gläubiger verstanden.57 Kennzeichnend für die Stakeholderkrise ist der schleichende Eintritt der Konsequenzen.58
2. Strategiekrise
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Infolge der Stakeholderkrise tritt häufig eine Strategiekrise ein. Die Folgen sind unangemessene oder ineffektive Innovationen und Investitionen.59
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Der Verlust von Marktanteilen, der wiederum einen Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit indiziert, ist häufig infolge der Strategiekrise zu erkennen. Mögliche Ursachen liegen in einer unklaren oder fehlenden strategischen Ausrichtung oder in nachhaltigen Fehleinschätzungen der Wettbewerbssituation oder Marktentwicklung.60
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Die Strategiekrise ist aufgrund ihres Charakters langfristig angelegt. Sie berührt regelmäßig die Grundlagen des Unternehmens und ist nur schwer zu korrigieren.61
3. Produkt- und Absatzkrise
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Eine Produkt- und Absatzkrise kann sich infolge einer Strategiekrise entwickeln. Wenn die Nachfrage nach den Hauptumsatz- und Erfolgsträgern nicht nur vorübergehend zurückgeht, liegt eine Produkt- und Absatzkrise vor, in deren Folge die Vorratsbestände ansteigen und die Kapitalbindung zunimmt.62
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Die Gründe einer Produkt- und Absatzkrise liegen qualitativ in nicht ausreichenden Marketing- oder Vertriebskonzepten, Sortimentsschwächen, Schwächen in der Produkt- und Servicequalität, mangelnder Liefertreue, Fehlern in der Preispolitik sowie einer mangelhaften oder fehlenden Vertriebssteuerung.63
4. Ertrags- oder Erfolgskrise
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Eine Erfolgskrise resultiert aus einer Stakeholder- oder Strategiekrise bzw. einer Produkt- und Absatzkrise, sofern kein wirksames Gegensteuern erfolgt. Zunächst werden die Eigenkapitalkosten nicht mehr verdient, sodann kommt es zu starken Gewinnrückgängen und schließlich zum Verlust bis zum vollständigen Verzehr des Eigenkapitals.64
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Infolge der sinkenden Eigenkapitalquote tritt eine Kreditunwürdigkeit des Unternehmens ein, die dazu führt, dass die zur nachhaltigen Sanierung erforderlichen Mittel sich unter den gegebenen Umständen nicht mehr beschaffen lassen und eine Sanierung ohne Kapitalzuführung, ggf. auch unter Änderung der bisherigen Gesellschafterstruktur, nicht mehr erreicht werden kann.65
5. Liquiditätskrise
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Eine Liquiditätskrise liegt vor, wenn der finanzielle Handlungsspielraum des Unternehmens zunehmend verengt wird und keine hinreichende Liquidität zur Verfügung steht. Die Liquiditätskrise ist im Regelfall der Übergang der Krise zur Insolvenz in Form der Zahlungsunfähigkeit.66
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Ein Insolvenzrisiko wird durch die eingetretenen Liquiditätsschwierigkeiten indiziert, sofern keine oder nur unzureichende Maßnahmen ergriffen werden.67
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Komplexe Finanzierungsstrukturen aufgrund einer Vielzahl bilateraler Beziehungen zu Finanzgebern mit heterogener Interessenlage oder unausgewogener Zusammensetzung der Finanzierung mit Eigenkapital, Fremdkapital und hybriden Finanzierungsformen verschärfen häufig die Liquiditätskrise.68
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Die Liquiditätskrise wird selten durch externe Begebenheiten ausgelöst, z.B. einen größeren Zahlungsausfall durch die Insolvenz eines Kunden, sondern aufgrund der Erwirtschaftung einer liquiden Unterdeckung.69
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Die Liquiditätskrise führt zur Insolvenzreife, wenn einer der nach der Rechtsform des Schuldners maßgeblichen Insolvenzeröffnungsgründe vorliegt.70
54 So Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 18. 55 IDW Life 2020, 45ff.; vgl. Harig/Harder, ZRI 2021, 67ff. 56 IDW Life 2018, 813ff. 57 Vgl. IDW S 6 Rn. 62; Bea/Dressler, NZI 2021, 67, 69; Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 20. 58 Vgl. IDW S 6 Rn. 62; Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 21. 59 Vgl. IDW S 6 Rn. 62; Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 22. 60 Vgl. IDW S 6 Rn. 62; Bea/Dressler, NZI 2021, 67, 69; Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 23. 61 Vgl. Trutnau, Krisenfrüherkennung, Kap. 1 Rn. 22; Schmittmann/Theurich/Brune, Das insolvenzrechtliche Mandat, § 6 Rn. 33; Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 24. 62 Vgl. IDW S 6 Rn. 62; Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 25. 63 Vgl. Bea/Dressler, NZI 2021, 67, 69; Weniger, in: Mönning, Betriebsfortführung, § 7 Rn. 16; Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 26. 64 Vgl. IDW S 6 Rn. 62; Bea/Dressler, NZI 2021, 67, 70; Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 27. 65 Vgl. IDW S 6 Rn. 62; Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 28. 66 Vgl. Trutnau, Krisenfrüherkennung, Kap. 1, Rn. 29; Bea/Dressler, NZI 2021, 67, 70; Schmittmann/Theurich/Brune, Das insolvenzrechtliche Mandat, § 6 Rn. 32; Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 29. 67 Vgl. IDW S 6 Rn. 62; Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 30. 68 Vgl. IDW S 6 Rn. 62; Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 31. 69 Vgl. Weniger, in: Mönning, Betriebsfortführung, § 7 Rn. 18; Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 32. 70 Vgl. IDW Standard: Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen (IDW S 11) vom 28.8.2016, IDW Life 2017, 332ff., Rn. 2; Schmittmann, Haftung von Organen in Krise und Insolvenz, Rn. 33.
IV. Insolvenz
1. Einordnung
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Unter Insolvenz kann zum einen das Vorliegen eines nach der Rechtsform des Schuldners maßgeblichen Insolvenzgrundes, zum anderen aber auch das formal eröffnete Insolvenzverfahren verstanden werden. Die „Insolvenz“ umfasst daher sowohl den wirtschaftlichen Zustand, der sich als Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung darstellt und ein gerichtliches Insolvenzverfahren auslösen kann, als auch das eröffnete Insolvenzverfahren.71
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Das Insolvenzrecht ist dem Wirtschaftsprivatrecht zuzuordnen.72
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Das Insolvenzrecht ist weiterhin auch dem Zwangsvollstreckungsrecht zuzuordnen, da es sich nicht um ein Verfahren nach der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt, sondern um ein Gesamtvollstreckungsverfahren, in dem der Staat das Präventionsprinzip durch das Prinzip der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger („par condicio creditorum“) ersetzt. Der im Einzelzwangsvollstreckungsrecht („Singularexekution“) geltende Grundsatz des „bellum omnium contra omnes“ steht hinter dem Ziel der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung zurück, zumal das Insolvenzverfahren gemäß § 1 Satz 1 InsO dazu dient, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen.
2. Insolvenzgründe
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Materiell bedeutet Insolvenz, dass einer der nach der Rechtsform des Schuldners maßgebenden Eröffnungsgründe vorliegt, also Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO), drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO).
a) Zahlungsunfähigkeit
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Der Schuldner ist gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Eine bloße Zahlungsstockung ist nach der Rechtsprechung des BGH anzunehmen, wenn der Zeitraum nicht überschritten wird, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die benötigten Mittel zu leihen. Dafür erscheinen drei Wochen erforderlich, aber auch ausreichend. Beträgt eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als 10 % seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird. Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners 10 % oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist.73
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Nach Eintritt der Insolvenzreife ist eine Fortführung des Betriebs grundsätzlich als Reflex des § 64 GmbHG a.F. ausgeschlossen. Ein sog. „Sanierungsprivileg“ greift daher nur in ganz engen Fällen zur Vermeidung noch größerer Nachteile bei Bestehen einer konkreten Chance auf Sanierung und Fortführung im Insolvenzverfahren.74
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Einen vom Insolvenzverwalter zur Darlegung der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO aufgestellten Liquiditätsstatus, der auf den Angaben aus der Buchhaltung des Schuldners beruht, kann der Geschäftsführer nicht mit der pauschalen Behauptung bestreiten, die Buchhaltung sei nicht ordnungsgemäß geführt worden. Er hat vielmehr im Einzelnen vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, welche der in den Liquiditätsstatus eingestellten Verbindlichkeiten trotz entsprechender Verbuchung zu den angegebenen Zeitpunkten nicht fällig und eingefordert gewesen sein sollen.75
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Bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO anhand einer Liquiditätsbilanz sind auch die innerhalb von drei Wochen nach dem Stichtag fällig werdenden und eingeforderten Verbindlichkeiten (sog. Passiva II) einzubeziehen.76
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Eine Zahlungseinstellung kann aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer daraufhin deutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden.77
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Als Beweisanzeichen für Zahlungsunfähigkeit bzw. Zahlungseinstellung kommen nach der sog. „wirtschaftskriminalistischen Methode“
– Schließung des Geschäftslokals,
– Verlegung des Geschäftssitzes zur Begründung einer anderen Gerichtszuständigkeit,
– Kreditkündigungen durch Banken,
– Wechsel des Hauptlieferanten zur Inanspruchnahme anderweitigen Lieferantenkredits,
– Zahlungen mit vordatierten Schecks,
– Abgabe der eidesstattlichen Versicherung,
– Häufung von Pfändungen,
– Nichtbezahlung von existenzbedingten Betriebskosten, fruchtlose Vollstreckung,
– Nichtzahlung oder schleppende Zahlung von Löhnen und Gehältern,
– Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen,
– Nichtzahlung von Umsatzsteuerrückständen,
– Flucht des Schuldners,
– Wechselproteste sowie
– Einräumung der Zahlungsunfähigkeit durch den Schuldner
in Betracht.78
b) Drohende Zahlungsunfähigkeit
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Drohende Zahlungsunfähigkeit liegt gemäß § 18 Abs. 2 InsO vor, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Durch das SanInsFoG wurde der Prognosezeitraum gesetzlich auf 24 Monate festgelegt (§ 18 Abs. 2 Satz 2 InsO).
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Zahlungsunfähigkeit droht nach Auffassung des Instituts Deutscher Wirtschaftsprüfer (IDW), wenn zum Beurteilungsstichtag keine Liquiditätslücke vorhanden ist, nach dem Finanzplan aber absehbar ist, dass die Zahlungsmittel zur Erfüllung der fällig werdenden Zahlungsverpflichtungen nicht mehr ausreichen und dies durch finanzielle Dispositionen und Kapitalbeschaffungsmaßnahmen nicht mehr ausgeglichen werden kann.79
c) Überschuldung
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Überschuldung liegt gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, für die gemäß § 39 Abs. 2 InsO zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 5 InsO bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, sind gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO bei den Verbindlichkeiten nicht zu berücksichtigen. Durch das SanInsFoG wurde der Prognosezeitraum gesetzlich definiert, in dem § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO folgende Fassung erhalten hat: Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten 12 Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.